Kurzcharakterisierung:Das Stundenbuch im schmalen, hohen Format ist ein wirkliches Taschenbuch, in der Rahmengestaltung der Miniaturen mit architektonischem Sockel, bekrönenden Voluten, Putti und Girlanden lässt sich deutlicher Renaissance-Einfluss ausmachen. 16 ganzseitige und 21 kleine, von anderer Hand einfacher ausgemalte Miniaturen bebildern das Buch. Eine ganzseitige Darstellung zeigt das Wappen des Auftraggebers : Es handelt sich um Michel de Champrond (gest. am 1. August 1539), Herr von Ollé, Ratgeber und Zahlmeister des Königs. Damit wird eine durchaus wohlhabende, aber nicht adlige Persönlichkeit aus dem Umkreis des Königshofes fassbar, die sich wohl in den 1530er-Jahren, als schon gedruckte Stundenbücher verbreitet waren, bei einer Werkstatt mittleren Niveaus ein reich ausgemaltes und partiell individuellen Wünschen angepasstes Gebetbuch herstellen liess.(eis)
Standardbeschreibung: Gamper Rudolf / Weishaupt Matthias (Hrsg.), Sammlung Carl Meyer in der Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden in Trogen. Katalog der Handschriften und der Drucke bis 1600 Dietikon-Zürich 2005, S. 81-83.
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Online seit: 08.06.2009
Trogen, Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, CM Ms. 8
Pergament · 104 ff. · 14 x 7 cm · Paris · zweites Viertel des 16. Jahrhunderts
Stundenbuch aus Paris
Wie zitieren:
Trogen, Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, CM Ms. 8, Vorderseite – Stundenbuch aus Paris (https://www.e-codices.ch/de/list/one/cea/0008)
Gamper Rudolf / Weishaupt Matthias (Hrsg.), Sammlung Carl Meyer in der Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden in Trogen. Katalog der Handschriften und der Drucke bis 1600 Dietikon-Zürich 2005, S. 81-83.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags (Urs Graf Verlag, Dietikon). Das Copyright an der Handschriftenbeschreibung liegt beim Verlag.
Seiteneinrichtung:
Tintenliniierung, Schriftraum 10,5 x 4,5, 35 Zeilen.
Schrift und Hände: Minuskel mit Anklängen an die Lettre bâtarde, wohl von einer Hand.
Buchschmuck:
Rubriziert, Überschriften rot, einzeilige goldene Initialen auf roten und blauen Gründen; 2zeilige Initialen, z. T. mit Blumenmotiven, in Rot und Blau auf goldenen Gründen, weiss gehöht. Textseiten in einfachen, vierseitig umlaufenden goldenen, innen und aussen rot begrenzten Rahmenleisten, oben und unten mit goldenen Renaissance-Ornamenten verziert.
1r, 8r, 11r, 16r, 24v, 30r, 31r, 32r, 35r, 38r, 41r, 44r, 48r, 55v, 56r, 66r und 86r ganzseitige Miniaturen in Deckfarbenmalerei in goldenen Architekturrahmen, mit Putti und Girlanden, je ein an den Enden eingerolltes, unterschiedlich hohes Schriftband mit Textbeginn und farbiger Initiale über dem Sockel schwebend;
9r, 9v, 10v, 88v, 90r-95v insgesamt 21 kleinere, von Text umschlossene, meist quadratische Miniaturen in einfachen goldenen Rahmen:
Evangelienperikopen: 8r schreibender Johannes mit Adler (Io); 9r schreibender Lucas mit Stier (Lc); 9v schreibender Matthäus mit Engel (Mt); 10v schreibender Marcus mit Löwe (Mc),
Orationen: 86r thronende Madonna mit Kind und musizierenden Engeln (Obsecro te…); 88v Vesperbild (Stabat mater…).
Suffragien: 90r Gnadenstuhl (Trinitas); 90v oben Michael mit Drache, unten Johannes Bapt.; 91r oben Johannes Ev., unten Petrus und Paulus; 91v Jacobus; 92r oben Zwölf Apostel, unten Stephanus; 92v Laurentius; 93r Sebastianus; 93v oben Nicolaus, unten Antonius; 94r Claudius; 94v oben: Anna lehrt Maria lesen, unten: Maria Magdalena; 95r Barbara; 95v Apollonia.
Vor den Sockeln der Architekturrahmen später aufgemalte Schilder in Blau und Gold mit dem Wappen des Stifters (8r, 11r, 16r, 30r, 31r, 38r, 44r, 56r, 86r) oder weiteren Motiven. Rot-blaue Ornamentleisten mit rankenförmigen Mustern, Schlangen- oder Zickzacklinien in Weiss und Gold als Zeilenfüllung.
Spätere Ergänzungen: Korrekturen und Nachträge: 97r, 97v und 99r Notizen.
Einband:
Roter Lederband mit Goldpressung, 18. Jh. Auf dem Rücken grünes Titelschild Heure in Goldpressung. Goldschnitt. Spiegel- und Vorsatzblätter (I, II, 100, 101) Papier; Spiegelblätter, Ir und 101v blau eingefärbt.
8r-10vEvangelienperikopen.
Miniatur.
>Inicium sancti evangelii secundum Iohannem … <In principio erat verbum …–…
confirmante sequentibus signis>Deo gratias<
Io 1,1-14;
(48r)
Miniatur. Komplet. Auf die Horen des Marienoffiziums folgen jeweils diejenigen des Hl.-Kreuz-Offiziums mit AH 30 Nr. 13 und des Hl.-Geist-Offiziums
mit AH 30 Nr. 5.
(51r)
>Canticum angelorum<Salve regina
AH 50 Nr. 245.
(51v)
Officium BMV in adventu usque ad purificationem BMV.
66r-85vOfficium defunctorum.
Miniatur.
Dilexi, quoniam exaudiet …–…
Fidelium, deum omnium, ut supra.
Responsorien nach Ottosen, Responsories: 14-72-24 / 46-32-57 / 68-28-40/38; die Reihe entspricht dem römischen Typ; a. a. O., S. 137-140.
Entstehung der Handschrift: Paris. Der Maler orientiert sich an Werken der so gen. Gruppe von 1520. Auftraggeber der Handschrift ist höchstwahrscheinlich der am 1. August 1539 verstorbene Michel de Champrond, Seigneur d’Ollé und Zahlmeister des Königs.
Provenienz der Handschrift: Besitzer: Michel de Champrond aufgrund des Wappens 1r: Zwei stehende, schwarze Bären halten einen Schild mit einem goldenen, steigenden Greifen auf Blau, Helmzier mit frontalem schwarzem Bären. Devise zu Füssen der Wappenträger: Lamour mest deu. Für Michel de Champrond, Seigneur d’Ollé, ist ein goldener steigender Greif auf blauem Grund als Wappen bezeugt (s. Epitaphier, Bd. 2, Nr. 768). In den vorderen Spiegel eingeklebtes Exlibris Carl Meyer.