Kurzcharakterisierung:Die grossformatige Handschrift, die mit Cod. Sang. 1758 eine Einheit bildet, besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil (p. 1-214) von 1473 (Datierung in Initiale p. 1) wurde im 16./17. Jahrhundert ergänzt. Beide Teile sind aber nicht vollständig, vielfach sind ausserdem Stücke getilgt und durch andere ersetzt worden. Der Band umfasst Gesänge für die Messe – Proprium de sanctis, Commune sanctorum, Ordinarium missae (teils tropiert), Sequenzen und Tractus – in Hufnagelnotation in einem Fünfliniensystem. Gemeinsam mit Cod. Sang. 1758 bietet der Codex die älteste systematische St. Galler Aufzeichnung von Sequenzen auf Notenlinien. Auf einigen Seiten Buchschmuck in Form von Bordüren und Initialen, teils mit figürlichen Darstellungen. Die Handschrift wurde bis 1930 in der Chorbibliothek (zunächst des Klosters, später der Kathedrale St. Gallen) aufbewahrt.(sno)
Standardbeschreibung: Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Codices 1726-1984 (14.-19. Jahrhundert) Stiftsbibliothek St. Gallen 1983, S. 24-26.
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Online seit: 07.10.2013
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1757
Pergament · 308 pp. · 55 x 35/36 cm · 1473 / 16./17. Jahrhundert
Graduale de sanctis, Ordinarium missae
Wie zitieren:
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1757, p. 45 – Graduale de sanctis, Ordinarium missae (https://www.e-codices.ch/de/list/one/csg/1757)
Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Codices 1726-1984 (14.-19. Jahrhundert) Stiftsbibliothek St. Gallen 1983, S. 24-26.
Handschriftentitel: Graduale de sanctis / Ordinarium missae für die Stiftskirche St. Gallen
Entstehungsort: Chorbibliothek des Stifts St. Gallen
Seitennummerierung: Diverse alte und neuere Foliierungen: 1. Römisch, zeitgenössisch (15. Jh.), Mitte oben, rote Tinte, durch Beschneiden
oft knapp lesbar; 2. Arabisch, 16./17. Jh., gotisierend, oben rechts, rote Tinte: 1-108,
Sprung 106/108; 3. Arabisch, 16./17. Jh., etwas gotisierend, Mitte oben, rote Tinte: 56-
135, aus früherer Verwendung dieser Buchteile stammend, daher mit großen Sprüngen:
59/64, 65/84, 87/100, 100/122, 122 wiederholt; 4. Fortsetzung von 2., arabisch, 18.Jh.,
oben rechts, schwarze Tinte: 109-154; 5. Behelfsmäßige Vorgängerin von 4., arabisch,
18. Jh., ganz oben rechts, blasse Tinte: 109-154. Moderne Paginierung.
Lagenstruktur:
Quaternionen, vor p. 1 ein Bl. herausgeschnitten oder fehlte, p. 126/127 inhaltlicher Bruch, nach p. 172 ein Bl. herausgeschnitten und inhaltlicher Bruch, vor p. 213 ein Bl., nach p. 213 zwei Bl. herausgeschnitten, pp. 215-218 sind ein Binio, dessen erste Hälfte, zwei Bl. vor p. 215, herausgeschnitten, nach p. 218 ein halbes Blatt (219/220) hineingehängt, II221-236, nach p. 278 ein Blatt herausgeschnitten, nach p. 308 fehlen die letzten drei Blätter des letzten Quaternio. Teilweise Wortreklamanten, spätere arabische Lagennumerierung mit feiner Feder, im späteren Teil II (s. u.) große zeitgenössische Wortreklamanten (p. 215 ff.).
Der Band besteht aus einem ursprünglichen ersten Teil, p. 1-214, und einem angehängten neueren Teil p. 215-308, beide fragmentarisch. Im neueren ist versucht worden, am älteren anzuschließen, inhaltlich als Ergänzung, äußerlich in Übernahme von Einrichtung und Ausstattungsstil.
Zustand: Im ganzen Band sind viele einzelne Noten, ganze Linien und ganze Seiten ausgelöscht und durch Korrekturen oder ganz andere Melodien und auch Texte ersetzt, was dem Band streckenweise palimpsestartigen Charakter verleiht, cf. p. 11 ff., 141 ff., 185 ff.,
256 ff.
Einband: Einbandmaterial überwiegend 15. Jh., Neubindung und neuer Schnitt 17./18. Jh., helles Schweinsleder auf Holz, Streicheisenlinien, Stempelung Komposition von Rhomben, Rankenornamentik, zwei Schließen verloren, von je fünf Beschlägen pro Deckel vorne drei, hinten vier erhalten, in der Mitte mit Inschrift in Fraktur: Av[e] maria m[ate]r mi[seridordi]e. Ledersignakel.
(1-54)
[Proprium de Sanctis]Dominus secus mare galilee uidit duos fratres …–…
cognosco oues meas et cognoscunt me mee.
In diesem Teil herrschen öfters Unstimmigkeiten zwischen alten Rubriken oder Formularen und
neuen, auf Rasur stehenden Gesängen, die im 16.-18. Jh. nachgetragen wurden, offenbar im Versuch, das Graduale den tridentinischen Bestimmungen anzugleichen. Daher ergaben sich gewisse Unregelmäßigkeiten in der Reihenfolge: (1-3) Andreas, (3-9) Purificatio, gemäß getilgter Rubrik ursprünglich Nicolaus, (10) Agatha, (10-14) Annuntiatio, (15-16) Philippus und Jacobus, (16-19) Inventio Stae. Crucis, (20-22) Vigil Johannes Bapt., (22-26) Johannes Bapt., reich geschmückt, (26-28) Vigil Petrus und Paulus, (28-30) Petrus und Paulus, (30-32, 33-34, 41-42) Commemoratio Pauli, (32-33, 42-44) Apparitio Sti. Michaelis, (34-37) Vigil Laurentius, (34, 40, 51-52) Assumptio, (41) Oktav Laurentius, (42-43) Oktav Petrus und Paulus, (43-44) Petrus ad vincula, (45-48) Michael, (49-51) Martin, (52) Franciscus, (53) Cathedra Petri.
(54-190)
Jncipit commune sanctorum per totum annum. jn vigilia apostolorum Ego autem sicut oliua fructifera …–…
benedicite in eternum.
190-308[Ordinarium Missae, Tractus, Sequentiae et varia minora]
(190-199)
[Ordinarium missae de sanctis: Kyrie et Gloria]>De virginibus.<Kyrie …–…
197dei patris Amen
Gloria für Orgel und Chor alternierend.
(199-208)
[Ordinarium missae de tempore: Kyrie et Gloria]Jn tempore paschali Kyrie …–…
dei patris.
Zum Teil mit kurzen Tropen.
(209-219)
[Varia minora]
(209-214) Sequenz Dies irae, bricht vor Schluß ab, (214) Fragmente zu Thomas und Andreas, (215-217) Transfiguratio Christi, (217-218) Scholastica, (219) Fragment eines Alleluia,
(221-232)
[Tractus de Sanctis]
(221) Conversio Pauli, (222) Virgines, (223) Purificatio, (224) St. Benedictus, (225) Presentatio B.M.V., (228) Barbara.
(232-237)
[Varia minora]
(232) Missa de passione domini, Proprium, aber mit Alleluia, (234) Tractus in Septuagesima.
(237-257)
[Ordinarium missae: Kyrie, Gloria]
bricht (257) ab, (258) Fragm. In medio
(259-280)
[Credo, ohne Rubriken]
Das letzte Credo bricht ab: et homo factus est. Amen,
(281-308)
[Sanctus et Agnus dei, mit Rubriken]
(308) Psalmton von Hand des 18. Jhs.
Entstehung der Handschrift: Der Band stammt aus der Chorbibliothek des Stifts und der nachmaligen Kathedrale
(Domkapitel) St. Gallen, von wo er 1930 der StiBSG inkorporiert worden ist.
Bibliographie:
F. Labhardt, Das Sequentiar Cod. 546 der Stiftsbibliothek St. Gallen und seine Quelle, Teil I, Bern 1959, p. 178-182.
Kodikologische Einheit:
Teil I
Seiteneinrichtung:
Einspaltig, 40/42 x 25,5/26,5, acht Notensysteme, Liniierung rote Tinte.
Schrift und Hände: Qualifizierte Textualis quadrata mit charakteristischen Haarstrichen, anfänglich starker
Tintenfraß. Zahlreiche punktuelle Interpolationen von Händen des 16. bis 18. Jhs.
Musiknotationen: Hufnagelnotation auf fünf Linien.
Buchschmuck:
Datierung mit Goldtinte in der ersten Initiale p. 1: 1473.
Hervorragende Init. über zwei Systeme, mit Blattgold: p. 1 (Andreas) blaues D auf Goldgrund, ausgefüllt mit feinem Rankenwerk auf weinrotem Grund, blau-grün-rote Bordüre mit blattgoldverzierten Ranken und Blüten, p. 7 (Purificatio) eine nicht ausgeführte Seite, mit angefangenen Bordüren, Vogel mit Beute, p. 10 (Annuntiatio) Bordüre zu reich ausgeführten Lombarden, p. 17 Narr in einer D, p. 22 (Nativitas Joh. Bapt.) gleich wie p. 1 ausgeführte D, p. 56 (Commune Sanctorum) blaues M auf weinrotem, mit gelben Ranken verziertem Grund, etwas Bord., p. 114 Gesicht mit Zunge, p. 136 bärtiges Gesicht, p. 172 (Sabbato de B.M.V.) rotes S auf hellgrünem, mit rotgrünen Ranken verziertem Grund, Bord. mit zwei fressenden Affen und einem erlegten Raubvogel, p. 190 (De virginibus) blaues Rauf weiß-rot-grün kariertem Grund, ohne Zweifel später angefertigt, völlig aus dem Rahmen fallend, p. 214 (Andreas) blaues D mit Andreas und Kreuz auf rotem Grund, grüne Umfassung, etwas Bordüre, die Initiale ist vom Illuminator des Teils II nachgemalt worden, p. 215 (Transfiguratio), I auf blauem Grund in rotem Kasten, primitiv. Zahlreiche Lombarden und Initialen verschiedener Typen, stilistisch z. T. manieriert (überlang), mit Fleuronné, Ausführung mittelmäßig.
p. 221-308 Textualis rotunda, mit charakteristischen Haarstrichen, der Textualis quadrata des Teils I nachgebildet, 16./17. Jh., Anzahl der Hände nicht eindeutig, vgl. pp. 233 ff., 255-257 mit feinerer Feder, p. 238-245 größere Spatien, kaum Handwechsel, p. 258 Textualis quadrata älteren Stils, von anderer Hand, jedoch nicht vor 16. Jh..
Musiknotationen: Hufnagelnotation auf fünf Linien.
Buchschmuck:
p. 215 primitive Initiale auf Quadrat über zwei Systeme, im folgenden nur feinere rote, blaue und schwarze Initialen der Lombard-Tradition, hoch und überlang.