Solothurn, Bischöfliches Archiv des Bistums Basel, Hs 5
Creative Commons License

Alexandra Mütel, Bischöfliches Archiv des Bistums Basel, Solothurn, 2024.

Handschriftentitel: Sammelhandschrift mit Inkunabeldruck
Entstehungsort: Solothurn
Entstehungszeit: 1450 bis 1490er
Beschreibstoff: Papier
Umfang: 200 Blätter
Seitennummerierung: Neue Foliierung in Bleistift
Lagenstruktur: Unregelmässig in Quinternionen und Septernionen, Einzelblätter fehlend
Einband: Die Handschriften und der Druck wurden im 16. Jahrhundert neu gebunden. Dabei wurden die Seiten beschnitten. Halbledereinband, Holzdeckel, mit Metallschliessen.
Provenienz der Handschrift: Titelblatt mit Besitzvermerk: Ex libris Nicolai Foesii
Erwerb der Handschrift: 3r: Besitzvermerk: Spectat ad Bibliotheca Eccles. Colleg. S. Ursi Solod.
Kodikologische Einheit: Teil I
Format: 28 x 20 cm
Seiteneinrichtung: Traktat über die Unbefleckte Empfängnis Mariens: Text in 2 Spalten von je 7 cm Breite; weitere Handschriften: Liniierung in braun, Text in einer Spalte
Schrift und Hände: gotische Kursive, braune Eisen-Gallus-Tinte, Rubriziierungen, drei oder vier Hände
Buchschmuck: Rote Lombarden für die Textanfänge; Fol. 3r: rote Initiallombarde mit floralen Elementen, Zierlinien in brauner Tinte
Inhaltsangabe:
Die Sammelhandschrift enthält Texte unterschiedlicher Thematik und Datierung. Der erste Text, Queritur utru(m) virgo benedicta mater inviolata fuit in p(ec)c(a)to originali c(on)cepta, ist vermutlich eine Reaktion auf die Verkündigung des Dekrets zur Unbefleckten Empfängnis Mariens durch das Basler Konzil 1439. Dieses theologische Thema war Gegenstand wissenschaftlicher Debatten v.a. zwischen Franziskaner, die sich dafür aussprachen und Dominikanern, welche diese Lehrmeinung als irrig ablehnten. Die Entscheidung des Konzils war daher nicht unumstritten. Der kurze Traktat in der Sammelhandschrift weist einige grafische Zierelemente auf und war damit wohl als endgültige, repräsentable Fassung gedacht.
Für die weiteren Texte ist eine Urheberschaft im Umkreis der Solothurner Stiftspröpste Felix Hemmerli (1388/1389 – 1458/1461) und Jakob Hüglin (um 1400 – 1484) zu vermuten. Die mit einem Zitat aus dem Korintherbrief beginnende Abhandlung Qui se existimat stare, videat ne cadat behandelt verschiedene kirchenrechtliche und moralische Fragen zum Thema Ehe. Die Kalender und astronomischen Tabellen beginnen mit dem Jahr 1471 und planen bis zum Jahr 1581.
Mehrere Texte befassen sich mit den Solothurner Thebäerheiligen rund um den hl. Urs. Um eine Wiederbelebung und Ausweitung ihrer Verehrung war neben den Stiftspröpsten auch der Solothuner Stadtschreiber Hans vom Stall (1419 – 1499) bemüht. Neben den Propriumstexten für die Liturgie finden sich ein Passiobericht und zwei metrische Texte. De vetustate castri solodori quod fuit priusquam roma konstruiert für die Stadt Solothurn eine fiktives, altehrwürdige Alter, das bis vor die Gründungszeit Roms reiche. Der Text spiegelt daher das grosse Selbstbewusstsein der städtischen Eliten im 15. Jhd. wider.
  • Fol. 2r Notizen, teils auf dem Kopf stehend
  • Fol. 3r-11r >Queritur utru(m) virgo benedicta mater inviolata fuit in p(ec)c(a)to originali c(on)cepta. < Traktat über die Unbefleckte Empfängnis Mariens, 1451.
  • Fol. 11v unbeschriftete Seite, Schriftspiegel ist vorbereitet
  • Fol. 12r-82v Qui se existimat stare, videat ne cadat. Ermahnung an die Geistlichen zur gewissenhaften Amtsführung, moralische und kirchenrechtliche Fragen zum Thema Ehe.
  • Fol. 83r-94r Astronomische Tabellen und Texte, radix lunae, Merkverse zum Zodiacus u.ä.
  • Fol. 94v Volkssprachlicher Eintrag
  • Fol. 95r-v unbeschriftete Seiten, Schriftspiegel ist vorbereitet
  • Fol. 96r-v Breve c(om)pendium passionis et martirii sancti mauriti et sue legionis thebee quod erat sancti ursus et victor ac suis sociis lxvi Passioberichte über die Heiligen Mauritius, Urs und Victor
  • Fol. 97r De ortu et gesta thebeorum martirum videlicet mauritij ursi et sociorum suorum; De vetustate castri solodori quod fuit priusquam roma Metrische Gedichte über die thebäische Legion und Solothurn
  • Fol. 97v-100r Entwürfe für Propriumstexte für ein St. Ursen-Officium, Antiphone, Hymnus, Orationen
  • Fol. 100v-105v unbeschriftete Seiten, Schriftspiegel ist vorbereitet
Kodikologische Einheit: Teil II
Format: Folio
Buchschmuck: Holzschnitte: Fol. 106v: Widmungsbild, Übergabe des Buches Rolevincks an den Kaiser; mehrere Stadtansichten und Grafiken
Inhaltsangabe:
Der zweite Teil der Sammelhandschrift enthält als Strassburger Inkunabeldruck den Fasciculus Temporum des Kartäusermönchs Werner Rolevinck (um 1425 – 1502), eine verbreitete Weltchronik. Im Besitzvermerk zeigt sich eine Verbindung zum Solothurner Stift: Nikolaus Feusi war 1578 – 1594 Stiftsprediger.

  • Fol. 106r-200v Inkunabeldruck: Werner Rolevinck: Fasciculus Temporum omnes antiquorum cronicas complectens, mit Fortsetzung bis 1490, Strassburg: Johann Prüss.