St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 562
Euw Anton von, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, Band I: Textband, St. Gallen 2008 (Monasterium Sancti Galli, Bd. 3), S. 439-440, Nr. 112.
Handschriftentitel: Vitae sancti Galli et Otmari
Entstehungsort: St. Gallen
Entstehungszeit: 890-900
Katalognummer:
112
Umfang:
140 pp., 2 Papier- Vor- u. Nachsatzbll.
Format: 30 x 24 cm
Lagenstruktur:
Signierte Quaternionen: ·II·8-1 (p. 1-14, fol. 1 fehlt), ·III·8 - ·VIII·8, VIIII10 (p. 111-130), 106-1 (p. 131-140, letztes Blatt fehlt)
Seiteneinrichtung:
Schriftspiegel 19,7 x 17,5 cm, einspaltig zu 24 Zeilen.
Schrift und Hände: karolingische Minuskel wohl von zwei Schreibern
Buchschmuck:
Kapitelzahlen in Minium, Anfänge der Kapitel mit Majuskeln in Minium, Zwischenräume gefüllt mit Ornamenten in Gold, hellblau u. purpurn oder mit Blau u. dunklem Purpur schattiert, auch Goldornament auf Pergamentgrund. Zu den Anfängen der Bücher Initialen in Gold, Silber u. Minium, teilweise gefüllt mit Blau u. Purpur, nachfolgende Zeilen mit Initiälchen sowie in Capitalis u. Uncialis mit Minium oder Zinnober, golden schattiert, auch in Capitalis u. Rustica mit Tinte.
Einband:
- Einband u. Provenienz:
- Wie der handschriftliche Eintrag auf der Titelseite p. 2 «Liber SS. Galli et Othmari, Constantia precio redemptus anno à Christi Nativitate 1653» verlauten lässt, wurde die Hs. unter Abt Pius Reher (1630-1654) aus Konstanz zurückgekauft. Wann sie in die Konstanzer Dombibliothek kam, ist ungewiss. Merton vermutet durch Abt-Bischof Salomo III. (890-920), Duft u. Schmuki im 15. Jh. Ersteres ist unwahrscheinlich, da sie wohl mit der im ältesten Bibliothekskatalog (Sang. 728, p. 15) um 900 nachgetragenen «Item vita sancti Galli et Otmari, nobiliter scripta» zu identifizieren ist. Der Nachtrag enthält ebenso die «Vita Silvestri recens et bene conscripta» (Nr. 115) u. die «Vita sancti Martini, optime scripta» (Nr. 114) (MBK I, S. 78).
- Wie der ursprüngliche Einband aussah, wissen wir nicht. Die Vor- u. Nachsatzblätter tragen jedoch das Wasserzeichen (7,5 x 4,5 cm) mit dem Wappen des Abtes Beda Anghern (1767-1796), was für eine Neubindung in St. Gallen kurz vor der Säkularisation spricht (vgl. Nr. 60, 100, 111). Tatsächlich entspricht der einfache weiße Pergamenteinband mit den grünen Seidenbändern zum Verschließen der Hs. dem Einband von Genf 37 a (Nr. 111). Wahrscheinlich hatte die Hs. einen kostbaren mittelalterlichen Einband mit Gold u. Steinbesatz (vg. Nr. 60, 100, 111).
Inhaltsangabe:
Inhalt u. Schmuck:
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p. 2-91
Vita s. Galli, Buch I u. II
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- (p. 2) Titelseite mit ganzseitiger Initiale I(n nomine Dni. nri. Ihu. Xpi. incipit vita beati Galli confessoris), in Gold u. Minium, an Fuß u. Krone Vogelkopfpaare, die Flächen unter u. über dem Mittelknoten in pergamentausgespartem Flechtband auf (oxydiertem) Silbergrund, nachfolgende Zeilen in Capitalis mit Minium
- (p. 3) halbseitige Initiale C(um praeclara), Buchstabenkörper in Gold, aus den Endknoten wächst golden das Binnenmotiv dem Mittelknoten entgegen u. wird von einer ebenso symmetrischen Silberranke abgelöst, Silberschnallen halten die Goldbänderung zusammen, Herzblätter u. Dreiblätter an welligen Fäden bilden das Beiwerk
- (p. 51) Explicit prior liber de vita et transitu sci. Galli confessoris Xpi., in Rustica mit Minium
- (p. 51-53) Kapitelverzeichnis: Haec habentur in sequenti libello (Cap. I-XLVI)
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(p. 53-91)
Buch II
- (p. 53) Incipit liber II de miraculis quae post obitu sci. Galli Dns. ob ipsius merita dignatus est declarare, Capitalis u. Rustica mit Zinnober
- (p. 53) große Initiale M(eritis beatissimi Galli), in Gold, Silber u. Minium, nachfolgende Zeilen in Capitalis mit Zinnober, golden schattiert, den großen Knoten in den Bogen antwortet symmetrisch das von unten aufsteigende Binnenmotiv mit kurzen silbernen Blatttrieben
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- p. 92-93 Hymnen: Oratio Vvaltfridi, Item ymnus Vualtfridi de sco. Gallo confessore Xpi. Vita scorum. via, spes salusque
- p. 94 leer
- p. 95-112 Vita Otmari mit Prol. u. Cap.
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p. 113-139
Miracula sci. Otmari mit Praef. u. Cap.
- (p. 113-114) Praefatio de sequentibus miraculis
- (p. 113) H(ucusque virtutes et miracula), Initiale in Gold u. Minium, hellblau u. purpurn schattiert
- (p. 114) Capitula sequentis opusculi (I-XV)
- (p. 114) C(um beati viri corpusculum), Initiale in Gold, Silber u. Minium, mit unsymmetrischem Mittelknoten, symmetrisches, aus den Schnallen vor den Endknoten nach innen wachsendes vegetabiles Binnenmotiv mit zierlichem Beiwerk.
- (p. 132-139) Miracula II
- p. 140 leer
Entstehung der Handschrift:
Die Hs. enthält die von (um 808-849; Abt von Reichenau 838-849) zwischen 833 u. 834 verfasste Vita sci. Galli u. die zwischen 834 u. 838 verfasste Vita sci. Otmari sowie die vom St. Galler Mönch Iso († 871) 867 beschriebenen Miracula sci. Otmari; zwischen den Viten zwei Hymnen Walahfrids auf Gallus. Wohl im Zusammenhang der Neubindung vor der Säkularisation ging die erste Lage mit der Vorrede zu Buch I u. dessen Capitulatio in Verlust (vgl. Wolfenbüttel, Guelf. 15.5 Ang. 4° - Nr. 127 u. Sang. 560 - Nr. 166). Schrift u. Initialen stammen von zwei Händen (A=p. 1-94, B=p. 95-139), wobei B etwas jünger sein könnte. Beide gehören wohl zum Kreis um Sintram. A ist etwas schwerer als B, der sich an der barocken Phase des Folchart-Psalters orientiert (Nr. 97).
Bibliographie:
- Scherrer, S. 179.
- Merton, S. 51, Taf. XLII.
- Landsberger, Folchart-Psalter, S. 20, Abb. 15 a.
- Bruckner III, S. 45, 109, Taf. XXV.
- Walter Berschin, Gallus abbas vindicatus, in: Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft 95, 1975, S. 257-277.
- Beer, Prudentius-Codex 264, S. 34f., 38, Abb. 15 a u. b.
- Walter Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter. Merowingische Biographie (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 9), Bd. 2, Stuttgart 1988, S. 94-99.
- Johannes Duft, Die Quellen zum Gallus-Leben, in: Duft, Abtei St. Gallen II, S. 282.
- Schmuki, in: Cimelia Sangallensia, Nr. 33.
- von Scarpatetti, Codices hagiographici, Nr. 562.
- Schaab, Mönch in St. Gallen, S. 180 Anm. 130.