Frauenfeld, Kantonsbibliothek Thurgau, Y 108
Handschriftentitel: Chronik des Klosters Kreuzlingen
Entstehungsort: Kartause Ittingen
Entstehungszeit: nach 1626
Beschreibstoff: Papier
Umfang:
13 Bll.
Format: 310 x 200 mm
Seiteneinrichtung:
253 x 155 mm, einspaltig, 43-47 Zeilen
Einband:
Papier über Pappe, blaugrün gesprenkelt, 19. Jh.
Inhaltsangabe:
-
Bl. 1r
Der angegebene Titel:
Monast[eriu]m SS. Udalrici & Affrae in Crutzlingen. Von Stifftung Auff- und Zunemmen des Gottshauses Sant Ulrich unnd Affern zu Creutzlingen. Sampt was sich bey den Ersten Probsten und in des Abbts Regierunng zeyten zu getragen.
Darunter: Federzeichnung mit den Kirchenpatronen von Kreuzlingen Sankt Ulrich und Sankt Affra. Dazwischen das Wappen des Klosters Kreuzlingen mit dem charakteristischen Malteserkreuz und einem Abt- oder Bischofsstab (möglicherweise dem Stab des Bischofs von Konstanz, zu dem Kreuzlingen ja eine enge Beziehung hatte), darüber die Mitra mit eingelegtem Abtsstab. Beide Kirchenpatrone sind mit ihren Attributen dargestellt: Die heilige Affra auf brennenden Holzscheitern stehend und an einen Baumstab gebunden. Dies soll auf ihr Martyrium, den Flammentod, hindeuten. Der heilige Ulrich ist, gemäss seiner Funktion als Bischof von Augsburg, mit dem bischöflichen Ornat bekleidet und trägt in der Hand den Bischofsstab und ein Buch, darüber einen Fisch. Während er schon in frühen Darstellungen mit Stab und Buch ausgestattet ist, kommt der Fisch erst seit dem 14. Jahrhundert vor. Er soll an die Legende erinnern, nach der sich auf wunderbare Weise ein Gänsebein, das dazu hätte dienen sollen, den Bischof als Fastenbrecher zu denunzieren, in einen Fisch verwandelt haben soll. - pp. 1v-3v Angaben über die geographische Lage und Umgebung Kreuzlingens sowie seine Gründungsgeschichte, einleitend ein sprachwissenschaftlicher Exkurs über die verschiedenen Bezeichnungen für den Bodensee.
- Bl. 5v Angaben über einen zweiten Propst Heinrich, zu dessen Regierungszeiten Papst Luzius II. in einer Bulle vom 14. Oktober 1144 dem Kloster Kreuzlingen alle Rechte und Freiheiten bestätigt, die seinem Vorgänger bereits von Papst Honorius gewährt worden sind. Schon Heinrich Murer erwähnt, dass über diesen Heinrich keine Nachrichten existieren als die schon erwähnte Bulle. In der neueren Forschung wird angenommen, dass es sich bei diesen Pröpsten gleichen Namens um ein und dieselbe Person handelt, nämlich um Heinrich von Bätershausen, der dem Kloster Kreuzlingen von 1125-1149 vorstand. Allerdings wird eingeräumt, dass im Umkreis des Konstanzer Domstifts und des Hospizes zwischen ca. 1080 und 1120 verschiedene Personen mit diesem Vornamen existieren.
- pp. 6r-10v Leer, mit zur Beschriftung vorbereiteten Blättern
- Zwischen Bl. 5v und 6r Ein eingeklebtes Blatt mit einem Verzeichnis der Äbte von Kreuzlingen von Heinrich I. (1125-1149) bis Jakob Denkinger (1625-1660) von anderer Hand. Die Liste endet mit dem Jahre 1626.
Entstehung der Handschrift:
- Der Verfasser der Handschrift, Johann Heinrich, wurde am 2. März 1588 in Baden (Kanton Aargau) geboren. Er stammte aus einer Badener Familie. Seine Mutter, Salome Bodmer von Baden, heiratete in zweiter Ehe 1592 den Ritter, Alt-Schultheissen und Bannerherrn Ludwig Pfyffer von Altishofen aus Luzern, wegen seiner politischen und militärischen Bedeutung auch „Schweizerkönig“ genannt, der indessen schon 1594 starb. Murer wuchs in Luzern auf. Er wird überall als „civis Lucernensis“ erwähnt und bezeichnet sich selbst in seinen Büchern so, ist aber im Luzerner Bürgerbuch nicht erwähnt. Murer besuchte in Luzern die Lateinschule und dann die Jesuitenschule in Pruntrut, wohl um die französische Sprache zu erlernen. Nach Abschluss der Schule studierte er Philosophie in Paris. Hier kam es offenbar auch zu ersten Kontakten mit dem Kartäuserorden. Die Ermordung des französischen Königs Heinrich IV. veranlasste ihn zur Rückkehr in die Schweiz. 1611, noch in Luzern, begann er, ein Verzeichnis der Schweizer Heiligen anzulegen. 1614 trat er in den Kartäuserkonvent Ittingen ein, wo er am 28. Februar 1638 starb. , eigentlich
- Ob und auf welche Quellen sich Murer bei der Abfassung der Chronik des Klosters Kreuzlingen gestützt hat, ist unbekannt. Wir wissen aber, dass ihm einige Urkunden vorgelegen haben müssen, die später ins Thurgauische Urkundenbuch aufgenommen wurden und mit dem Zitat Murers wörtlich übereinstimmen. Möglicherweise hat er sich dabei auch auf die Äbteliste von unbekannter Hand gestützt, die der Chronik beigegeben ist. Da diese mit dem Jahr 1626 endet, also zwölf Jahre, bevor Murer selber starb, ist dies durchaus möglich.
- Verglichen mit andern Chroniken Murers macht diejenige des Klosters Kreuzlingen einen vorläufigen und provisorischen Eindruck. Nicht nur deswegen, weil sie nicht über den ersten Abt hinausgeht, sondern auch, weil die Wappen unkoloriert und nur teilweise ausgeführt sind, zum Teil sogar ganz fehlen. Dasselbe gilt auch für das Titelblatt, das im Gegensatz zu andern Chroniken Murers nicht blau koloriert ist und unter der Zeichnung der Kirchenpatrone einen Leerraum aufweist, der möglicherweise für einen Text bestimmt war, wie er zum Beispiel in der Fischinger Chronik vorkommt. Ausserdem fehlt eine Vedute des Klosters.
- Die Chronik des Augustiner Chorherrenstifts Kreuzlingen ist nur eine von rund zwanzig anderen Chroniken von Klöstern, Abteien und Bistümern, die Murer während seiner Ittinger Zeit (1614-1638) verfasst hat, und die in der Kantonsbibliothek Thurgau aufbewahrt werden. Sie waren alle gedacht als Vorarbeiten zu einem umfassenden Werk, das eine Geschichte und Beschreibung aller Bistümer, Stifte und Klöster enthalten und den Namen „Theatrum Ecclesiasticum Helvetiorum“ („geistlicher Schauplatz Helvetiens“) tragen sollte. Murers früher Tod im Jahre 1638 machte dieses Vorhaben zunichte. Alle Chroniken sind ähnlich aufgebaut: Sie zeigen auf dem Titelblatt die Schutzheiligen der betreffenden Klöster, zum Teil mit deren Attributen. Die meisten Chroniken - nicht so diejenige von Kreuzlingen - enthalten ein Faltblatt mit einer Ansicht der verschiedenen Gebäulichkeiten der jeweiligen Klöster. Dazwischen steht in Murers kleiner, zierlicher Schrift die Legende zu den einzelnen Bauten.
- Murers Hauptwerk, die „Helvetia Sancta“, eine Lebensbeschreibung der Schweizer Heiligen, erschien erst 1648, also zehn Jahre nach Murers Tod, bei David Hautt in Luzern. Es enthält ebenfalls kolorierte Federzeichnungen, wahrscheinlich von der Hand des Konstanzer Bildhauers und Malers Hans Asper.
Provenienz der Handschrift:
Die Handschrift Murers mit der Chronik des Klosters Kreuzlingen ist nach ihrer Fertigstellung wie die anderen Chroniken, die für das „Theatrum Ecclesiasticum“ vorgesehen waren, in der Kartause Ittingen geblieben.
Erwerb der Handschrift:
Vermutlich ist sie erst nach der Aufhebung der thurgauischen Klöster im Jahre 1848ff. in die Kantonsbibliothek Thurgau gelangt.
Bibliographie:
- Schmider, Ignatius: Syllabus universalis omnium … praesulum, decanorum et canonicorum regularium imperialis collegii Creuzlingani ad usque 1758 inclusive continuatur. KB Thurgau, Y 79.
- Thurgauisches Urkundenbuch / hrsg. vom Thurgauischen Historischen Verein. Bd. 2: 1000-1250 / bearb. von Johannes Meyer, fortgeführt von Friedrich Schaltegger. Frauenfeld 1917.
- Kuhn, Konrad: Thurgovia Sacra : Geschichte der thurgauischen Klöster. Bd. II. Zweite Lieferung: Ittingen und Kreuzlingen / Konrad Kuhn, Frauenfeld 1879.
- Meyer von Knonau, Gerold: Heinrich Murer, in: ADB 23 (1886), S. 60.
- Meier, Gabriel: Der Karthäuser Heinrich Murer und seine Schriften / Gabriel Meier. Stans 1990 (SA: Der Geschichtsfreund ; Bd. 55), S. 1-38.
- Siegwart, Josef: Die Chorherren- und Chorfrauengemeinschaften in der deutschsprachigen Schweiz vom 6. Jahrhundert bis 1160 (Studia Friburgensia N. F. 30), Freiburg 1962.
- Meyer, Bruno: Das Totenbuch von Wagenhusen, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 86 (1968), S. 87-187.
- Borst, Arno: Mönche am Bodensee / Arno Borst. Sigmaringen 1978.
- Früh, Margrit: Die Vorzeichnungen von Hans Asper (d.J.) zu Heinrich Murers 'Helvetia Sancta' in der Kantonsbibliothek Frauenfeld / von Margrit Früh. (SA: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte Bd. 45 (1988), S. 179-206).
- Hopp, Anton: Das Hospiz des heiligen Konrad und die Gründung des Chorherrenstiftes St. Ulrich und Afra zu Konstanz/Kreuzlingen / von Anton Hopp. (SA: Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung H. 107 (1989), S. 97-105).
- Schmutz, Jürg: Artikel 'Kreuzlingen' / von Jürg Schmutz und Doris Stöckly, in: Die Augustiner-Chorherren und die Chorfrauen-Gemeinschaften in der Schweiz. Basel 2004 (Helvetia Sacra ; Abt. IV, Bd. 2), S. 248 - 302.
- Erni, Peter: Die Kunstdenkmäler der Stadt Kreuzlingen / Peter Erni, Alfons Raimann. Erscheint voraussichtlich 2009 in der Reihe der Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau.
Ungedruckte Quellen
Gedruckte Quellen
Literaturverzeichnis