Kurzcharakterisierung:Das Cantatorium von Beromünster enthält die solistisch vorgetragenen Gesänge der Messe mit Notation, und als Nachtrag des 14. Jhs. einige Tropen. Unter diesen die Kyrientrope Kyrie fons bonitatis und Cunctipotens. Interessant ist der Bestand an Conductus. Der Codex ist in einen Holzkasten mit zwei Elfenbeintafeln des 8.-9. Jhs. eingebunden.(ber)
Schrift und Hände:
Textura des 13. Jh. von einer Hand.
Musiknotationen: Neumen.
Buchschmuck:
Rubriziert. Incipits und liturgische Hinweise rot.
Versenanfangsbuchstaben schwarz mit roten Verzierungen.
2- zeilige Lombarden wechselnd rot und blau mit Fleuronnée in der Gegenfarbe am Anfang der Sonntagsfeste; 7v Kopf mit Bart im Binnenfeld; 15v Raum für Initialen frei geblieben.
3-5-zeilige Initialen bei Festtagen (1r, 2v, 17r, 21r, 21v, 33r) mit gespaltenem Buchstabenkörper in blau und rot mit Fleuronnée.
Einband:
260 x 160. Eine hochrechteckige Elfenbeintafel (vorne, 240 x 135 ) und eine hinten in einem Holzbrett - Holzplatten ursprünglich mit braunem Leder bedeckt - eingelassen. Die Tafeln haben zahlreiche Löcher, die auf eine frühere Benutzung in einem anderen Einband hindeuten. Die vordere Platte ist der Länge nach gesprungen weist an dierser Stelle drei Paare von Löchern einer früheren Flickung auf. Die Reliefs der beiden Tafeln stellen in gleicher Haltung und Disposition die Apostel Petrus und Paulus als Lehrer in der Auffassung antiker Philosophen dar. Sie sind in eine lange Tunika und einen Mantel mit Falten gehüllt. In der Linken tragen sie ein geöffnetes Buch, die Rechte ist segnend oder lehrend erhoben. Die Köpfe sind ohne Nimbus. Die zwei Figuren stehen unter einer Arkade mit gedrechselten, bei Petrus, beziehungsweise geflochtenen Säulen, bei Paulus. Die Platten werden üblicherweise um die Wende vom 8. zum 9. Jh. datiert. Nach einer Notiz des aus dem Jahre 1207 stammenden Directorium Chori (s. Kopp S. 5, Bruckner S. 11 Anm. 5) diente dieser Einband ursprünglich einem von Graf Ulrich von Lenzburg († vor 1050) dem Stift geschenkten Epistolar (heute Beromünster, Stiftskirche St. Michael, Kirchenschatz), an dessen Stelle später das Cantatorium eingebunden wurde.
Inhaltsangabe:
1r-32rProprium de tempore
1. Adventsonntag-24. Sonntag nach Pfingsten
33r-53rProprium de sanctis
besondere Feste (Diözesan- oder Patronalheilige):
Provenienz der Handschrift: Laut „Haustradition“ durch einen Grafen Ulrich der Stifterfamilie von Lenzburg geschenkt. Wegen der Datierung ins 13. Jh. können weder Ulrich I. der Reiche († vor 1050) noch Ulrich IV. († 1172) in Frage kommen.
Erwerb der Handschrift: auf dem Vorderdeckel ex-libris des Stifts Beromünster mit Signatur 1891. II. C. 2..
Bibliographie:
Karl Alois Kopp, Die Stiftsbibliothek von Beromünster. Beilage Jahresbericht Mittelschule Beromünster 1903/04, S. 5-7.
Jacques Handschin, Angelomontana polyphonica, in: Schweizerisches Jahrbuch für Musikwissenschaft 3 (1928), S. 64-96, 71 n. 2.
Arnold Geering, Die Organa und mehrstimmigen Conductus in den Handschriften des deutschen Sprachgebietes vom 13. bis 16. Jahrhundert, Bern 1952 (Publikationen der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft. Serie 2 Vol. 1), S. 85, 88f.
Fritz W. Volbach, Frühmittelalterliche Elfenbeinarbeiten in der Schweiz, in: Frühittelalterlichen Kunst in den Alpenländern. Akten zum III. Int. Kongress für Frühmittelalterforschung, Olten-Lausanne 1954, S. 105-6, Fig. 51-2.
Adolf Reinle, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern, Bd. IV (1956), 77s, Abb. 66.
Albert Bruckner, Scriptoria medii aevi helvetica. Denkmäler schweizerischer Schreibkunst des Mittelalters, Bd. 9, Genf 1964, S. 20-21, Taf. XXXIV, XLIV.
Adolf Reinle, Die Kunst der Innerschweiz von 1200 bis 1450. Ein Überblick, in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft. Bd. 1: Verfassung. Kirche. Kunst, Olten 1990, S. 351.