Kurzcharakterisierung:Dieses eindrucksvolle Graduale enthält das Sanctorale, das Commune Sanctorum, Votivmessen und ein Kyriale. Die eingetragenen Feste für die zwei Heiligen Franziskus von Assisi und Antonius von Padua, die wichtigsten Heiligen der Franziskaner, beweisen, dass es für den Gebrauch der Minderbrüder bestimmt ist. Auch die erste der acht verzierten Initialen (f. 1r, 7v, 29r, 32r, 34v, 43r, 46v, 121v) bestätigt den franziskanischen Gebrauch: Das D(ominus secus mare) enthält den Namen Jesu in Form des Trigrammes „yhs“ umringt von Sonnenstrahlen, welches das Attribut des franziskanischen Predigers und Heiligen Bernhardin von Siena (1388-1440) ist. Die schönen Initialen auf Goldgrund werden mit Blättern, mehrfarbigen Blüten und Goldperlenfächern in die Bordüren verlängert, zum Teil erscheinen auch Vögel und Schmetterlinge (f. 1r, 34v, 46v). Die Herkunft der Handschrift ist völlig unbekannt. Sie kann höchstens mit einer weiteren Handschrift aus dem Staatsarchiv Wallis verglichen werden, mit dem franziskanischen Antiphonar AVL 507, da beide Werke im 18. Jahrhundert in derselben Werkstatt gebunden wurden, was ein Indiz ihrer wahrscheinlich gemeinsamen Herkunft ist. Der Einband wurde seither von Andrea Giovannini restauriert (1989).(rou)
Standardbeschreibung: Leisibach Josef, Huot François, Die liturgischen Handschriften des Kantons Wallis (ohne Kapitelsarchiv Sitten), Freiburg 1984 (Iter Helveticum, Subsidia 18), S. 45-47.
Standardbeschreibung anzeigen
Online seit: 10.12.2020
Sion/Sitten, Archives de l'Etat du Valais/Staatsarchiv Wallis, AVL 506
Pergament · III + 147 + IV ff. · 49.5 x 34 cm · Norditalien ( ?) · Ende des 15. Jahrhunderts
Franziskanisches Graduale (Sanctorale)
Wie zitieren:
Sion/Sitten, Archives de l'Etat du Valais/Staatsarchiv Wallis, AVL 506, QP Karte auf Einband – Franziskanisches Graduale (Sanctorale) (https://www.e-codices.ch/de/list/one/aev/AVL-0506)
Seitennummerierung: Alte rubrizierte Foliierung recto rechts Mitte I-CXL VI. Die Tintenfoliierung des 17./18. Jhs. und die von mir beigefügte Bleistiftfoliierung 1-150 stimmen mit der alten Foliierung überein. Die mitgezählten Blätter 80, 92, 93 fehlen.
Lagenstruktur: Zusammensetzung: 9 IV (72), V(-8.9.10) ohne Textverlust (79), IV (88), IV(-4-5) (96), 4 IV (128), 2 V (148), 2 (150). Am Schluß der Lagen Reklamanten.
Zustand: f. 118-150 am unteren Rand durch Mäusefraß beschädigt. Sonst keine Risse und Löcher. Gleichmäßiger Schnitt (roh). Am Vorderschnitt eingeklebte Signakel des 17./18. Jhs.
Seiteneinrichtung:
Kaum sichtbare Bleiliniierung. Für die Textzeile je eine Doppellinie. Die beiden seitlichen Begrenzungen a//b reichen von Rand zu Rand. Spiegel 335-340 x 240 mm. Dunkelbraune Tinte
Schrift und Hände:
Schöne got. Textur von einer Hand um 1500.
Musiknotationen: Text in 6 Langzeilen mit Quadratnotation auf 4 roten Linien.
Buchschmuck:
Rubriken rubriziert.
Cadellenartige Majuskeln mit Federstrichverzierung.
Am Anfang der Formeln ein Corpus hohe rote und blaue, schlanke Lombarden, teilweise mit Spatien, ohne Fleuron.
Am Anfang der Formulare zwei Corpora hohe rot/blau spationierte Lombarden ohne Fleuron.
Gelegentlich schöne Deckfarbeninitialen in verschiedenen Farben mit Blumen- und Rankenmotiven auf Goldgrund, mit Bordüren aus Ranken, Blüten, Blättern und Vögeln. Initialen auf f. 1r, 7v, 29r, 32r, 34v, 43r, 46v, 121v.
Einband: Einband des 18. Jhs. aus 2 Holzdeckeln (515 x 340 mm), VD gebrochen, am RD der äußerste Streifen weggebrochen. Überzug aus dunkelbraunem Leder mit Spuren von Streicheisen- und Rollenverzierung, stark abgeschabt, Leder stellenweise beschädigt. Spuren von 2 Langriemenschließen vom VD zum RD. 6 Bünde. Kapital verloren. Von je 5 muschelförmigen Eisenbuckeln auf dem VD noch 2, auf dem RD noch 3 erhalten. Über den Rücken Verstärkung aus braunem Leder. Einband in schlechtem Zustand. Keine Besitzervermerke. Im VD Fragment eines Druckes (Psalter).Der Einband stammt aus dem gleichen Atelier wie der von AVL 507.
(f. 1r)
>Incipit ordo sanctorum secundum usum curie Romane. In vig. beati Andree apostoli. Introitus<Dominus secus mare Galile
(45r/v)
>In sancti Clementis pape et mart. … <Beatus servus
Zu bemerken: Die meisten Formeln sind nur mit Initien und Verweis auf das Commune sanctorum aufgeführt. Die Texte stimmen mit dem Ordo Missalis des Haymo von Faversham überein, ed. Van Dijk, Sources II p. 271-305. Der Codex verzeichnet nur jene Formulare, die auch im Ordo Missalis Gradualtexte enthalten.
Hervorzuheben:
(4r-7r)
>In festo Purificationis<
mit Kerzenweihe und Prozessionsantiphonen;
(19v)
In Translatione b. Francisci fit officium …
mit Rubrik wie Van Dijk, Sources II p. 283;
(20r)
>In sancti Antonii conf.<
mit
Alleluia. Antoni compar inclite …
(RH 1202; Felder, Reimofficien, p. LX);
(126v)
>In maioribus dupplicibus<Kyrieleyson …–…
146rSanctus. Agnus dei
(nur Initia).
Zu bemerken: Das Kyriale enthält 9 verschiedene Formulare (Kyrie, Gloria, Sanctus, Agnus dei) für verschiedene Festgrade; kein Credo.
(144v)
>In missis beate Marie virg. … <Gloria …
mit Tropus Spiritus et alme orphanorum paraclite …
(RH 19312).
Daran:
a.
(146r-148v)
Dies ire dies illa …–…
Oro supplex et aclinis cor contritum quasi cinis gerecu//[ram mei finis]
(bricht unvollständig ab)
(RH 4626; AH 54 Nr. 178)
b.
(149r)
Von anderer Hand
//His patronis vite donis et Christe nos accumula. Ut queamus quod speramus cernere per secula. Amen.
c.
(149r-v)
Von gleicher Hand wie b):
Si queris miracula mors error calamitas demon lepra fugiunt, egri surgunt sani. Cedunt mare vin/(149v) cula membra resque perditas, petunt et accipiunt iuvenes et cani. Pereunt pericula cessat et necessitas, narrent ii qui sentiunt dicant Paduani. Cedunt. Gloria patri … et spiritui sancto.
(Resp. aus dem Officium rhythmicum de s. Antonio, cf. AH 5 p. 128; Felder, Reimofficien, p. 131.)
d.
(150r)
Von einer Hand des 16. Jhs.
[Intr.] In medio ecclesie aperuit …–…
Gloria
e.
(150v)
Von einer Hand des 16./17. Jhs.
[Intr.] Iustus ut palma florebit …–…
Gloria.
Spiegelbl. B
: Von einer Hand des 17./18. Jhs.: Index der Formeln
Dem Codex beigelegtes Doppelbl. (Papier), in Schablonenschrift des 18. Jhs., mit Notation: (48r) 'In festo sancti Philippi Nerii [intr.]' Charitas dei...; (49r) 'In festo s. Aloysii Gonzagae off.' Minuisti eum paulominus... (49v) Alleluia. Beatus quem elegisti... in altris tuis.
Entstehung der Handschrift: Aufgrund der Schrift und Ausstattung wohl aus Italien.
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