Für diese Handschrift sind folgende Beschreibungen vorhanden

  • Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2: Abt. III/2: Codices 450-546: Liturgica, Libri precum, deutsche Gebetbücher, Spiritualia, Musikhandschriften 9.-16. Jahrhundert, Wiesbaden 2008, S. 418-421.
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  • Scherrer Gustav, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875, S. 163.
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St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 545
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Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2: Abt. III/2: Codices 350-546 Liturgica, Libri precum, deutsche Gebetbücher, Spiritualia, Musikhandschriften, 9-16. Jahrhundert, Wiesbaden 2008, S. 418-421.

Handschriftentitel: Antiphonar für das ganze Kirchenjahr
Entstehungszeit: um 15./2 Jh.
Frühere Signatur: M. n. 11
Beschreibstoff: Solides, mittelstarkes Pergament guter Qualität, starke Gebrauchsspuren.
Umfang: I + 330 Folia
Format: 45 x 32
Seitennummerierung: Tintenfoliierung 18. Jh., eine weitere, klein geschrieben, in der äussersten Ecke oben rechts ab f. 1 bis Schluss, immer parallel, das erste Folio ist ursprünglich mit A, B paginiert, korrigiert in f. I; Foliierung springt f. 10/15 (f. 11-14 fehlen [s. u.]), f. 35 übersprungen (in der äussersten Ecke oben rechts nachgetragen), springt f. 78/80, f. 132 doppelt gezählt, heute f. 132bis, springt f. 154/156, f. 186 doppelt gezählt, heute f. 186bis, springt f. 210/212, f. 275 doppelt gezählt, heute f. 275bis, springt f. 275bis/ 278, springt f. 300/309, f. 301-308 fehlen (s. u.), springt f. 309/301/311/318, statt f. 310 steht 301, springt f. 320/329 (Textverlust s. u.); erstes (heute fast loses) Blatt Bleistiftfoliierung römisch I.
Lagenstruktur: Quinternionen, ausser V[-9]1: die ursprünglich erste Lage fehlt (Textverlust, s. u. Inhalt) bis auf ein einziges, stark lädiert zurückgebliebenes Blatt, der Heftfaden frei sichtbar, IV1-8, auf dem letzten Folio (8v) die Wortreklamante, die mit dem zusätzlichen Bogen f. 9 übereinstimmt, dessen linke Hälfte das vordere Spiegelblatt ist; III[-4]10/15, in der Mitte der Lage sind zwei Bogen nach der Foliierung des 18.Jhs. verlorengegangen, d.h. f. 11-14 fehlen, V[+1]177-186bis, das f. 186bis ist an den Quinternio angehängt, die Reklamante aber gleichwohl f. 186v, der Pergament-Streifen des halben eingehängten Bogens nach f. 176 sichtbar; V[+1]187-197, der Pergament- Streifen des halben eingehängten Bogens sichtbar nach f. 197, V[-8]300/309, in der Lagenmitte fehlen 4 Bogen, d.h. f. 301-308, V[-6]301 (recte: 310, s. o.)-319, in der Lagenmitte fehlen 4 Bogen, d. h. f. 312-317, diese wiederum nach der Foliierung des 18.Jhs. spoliiert, V[-8]320-329, in der Lagenmitte fehlen 4 Bogen, d.h. f. 321-328, Schluss unklar, das f. 330 ist vermutlich an ein heute herausgeschnittenes Blatt [f. 331] geklebt, die Zugehörigkeit des hinteren Spiegelblattes ist unklar. Regelmässige Wortreklamanten von der Hand des Schreibers in Textualis der gleichen Schriftgrösse.
Seiteneinrichtung: Einspaltig 32/33 x 22,5/23.
Schrift und Hände:
    • Der ganze Band von einer Haupthand in sehr qualifizierter Textualis aus dem späteren 15./2 Jh.; Terminus ante quem ist das Wirken des St. Galler Konventualen Joachim Cuontz († 1515), der den Cod. 546 mit 1514 als letztem Datum subskribiert (s.u.) und in unserer Hs. den Nachtrag f. 330r-v schreibt. Zur Datierung vgl. auch die stark spätmittelalterliche Kursive der oben aufgezählten Marginalien. Französische oder burgundisch-flämische Herstellung für ein dortiges Benediktinerkloster ist wahrscheinlich, s. das Benedikts-Offizium f. 249r, in dem Teil de sanctis fehlen jegliche lokalspezifische Patroninnen und Patrone. Nach Frankreich oder Burgund können auch die Lilien in der Init. f. 188r (s. u.) weisen, ferner der Stil der Initialornamentik und auch der Cadellen-Zeichnungen.
    • Die Haupthand setzt nach einem vorangehenden späteren Vorsatz f. 16r ein: Bogenverbindung, keine Haarstriche; zeitgenössische Rubrik am Rand f. 93v, von der Haupthand, von welcher auch sämtliche Rubriken und Insertionen in kleinerem Schriftgrad stammen;
    • Zusatzhände:
    • ein Vorsatz f. 1r-14v vermutlich von einer späteren Hand des 16./1 Jhs., in qualifizierter Textualis mit breitem Kiel, weiten Buchstabenabständen, Haarstrichen, ohne Bogenverbindung;
    • f. 187v Zusatz-Antiphon von vermutlich anderer Hand, in engerer, ebenso erstklassiger Textualis wie die Haupthand;
    • als letzte Nachtragshand schreibt f. 330r-v in halbkursiver Bastarda der St. Galler Konventuale P. Joachim Cuontz (s. u.), f. 222r ein Bleistiftvermerk betreffend Suffragien zu Cathedra Petri.
Musiknotationen: Hufnagelnotation auf 4 Linien, 10 Notensysteme pro Seite, Rastrierung mit roter Tinte.
Buchschmuck:
  • Init. orn. mit Bord.: f. 16r grosses blaues, in Deckweiss-/Deckfarbtechnik verziertes E mit rotem Querbalken, mit aparter schwarzer Grundierung, auf rotem, schwarz schraffiertem Hintergrund, in hellviolettem, geflochtenem Rahmen; weitere kleinere Init, orn. mit kleiner Bord. in derselben Technik f. 47r, 49r mit Vogel (ev. Kiebitz?) in der Bord., f. 188r mit Wappen mit sechs silbernen Lilien auf königsblauem Grund (Farbgebung und Formenelemente lassen stärker epigonale Stilelemente erkennen), f. 249r wieder mit aparter schwarzer Grundierung, f. 256r nur kleine Bord. am linken Rand, f. 261v; blaue und rote Lombarden.
  • Die manierierten Gesichts-Federzeichnungen der Cadellen sowie erlesene Manierismen der Init.-Malerei können auf hochgestellte Auftraggeberschaft verweisen. Schwarze, z.T. rot gestrichelte, z. T. mit der Feder in schwarzer Tinte verzierte Cadellen, mit Fratzen/Gesichtern (z.B. f. 54r, 101r, 271r und passim), Tieren (z. B. f. 65r mit Fisch und Vogel, f. 76v, 77r mit auf den Hinterbeinen stehendem Bär) sowie Phantasieornamenten; f. 164v am obern Rand steht über der Cadelle von Amici mei, mit Bild einer Nonne, in kleinerer zeitgenössischer Textualis: sum gallina, mit Rasur, vgl. auch die Frauenköpfe in einer Init. A f. 182v und 189v und zahlreiche weitere. In den Cadellen und Majuskeln gelbe und teilweise mehrfarbene Kolorierungen passim. Eine in der Init. kopfstehende Figur mit aufgerecktem Hintern ist f. 114r leicht, f. 117r stärker lädiert, mit Ansatz von Rasur; überwischt sind auch Gesichter in den Cadellen f. 207v und 293v. Ganz vereinzelt stehen auch einfache rote, mit schwarzer Feder leicht verzierte Init. Zur Rubrik f. 165r am Rand notizartig mit feiner Feder 1574, darüber federprobenartig sechs kleine Striche, ev. zwei m; dieser Eintrag ohne jeglichen Bezug zum laufenden Text (2. Noct. des Palmsonntags).
Spätere Ergänzungen: vereinzelt Marginalien in spätmittelalterlicher Kursive f. 74v, 75r, 90r, 297r, weitere Marginalien in humanistischer Kursive f. 81r, 240v, wohl kaum von demselben Glossator.
Einband: Einband 16.Jh., helles Leder auf Holz; unter dem vordern Spiegelblatt Fragment einer zweispaltigen pergamentenen Hs. in kleiner Kursive des 15. Jhs. sichtbar. Auf VD Rechtecks-Komposition, im Zentrum unterteilt in zwei kleinere Rechtecke oben und unten, kleiner sechsblättriger Blumenstempel; auf HD mit Streicheisenlinien gezogene Rechtecks-Komposition, im zentralen Rechteck diagonal, horizontal und vertikal gezogene Streicheisenlinien, im obern und untern breiten Rand je drei kleine Medaillons mit sechsblättriger Blüte, dasselbe am linken Rand bei den Bünden, in den Rahmenleisten kleine runde Stempel mit u. a. Frauenkopf, exotischem Kopf mit Kraushaar, Mann mit Judenhut, Edelmann mit Hut (Kaufmann?), letzterer nicht im Medaillon; auf den Deckelansätzen der fünf Bünde runder sechsblättriger Blütenstempel. VDK und HDK in der Mitte abgeschrägt, Spuren (Nagellöcher) von sieben Beschlägen auf VD bzw. von fünf auf HD. Reste zweier Messing-Schliessen HDK-VDK, heute stattdessen zwei helle Lederriemen mit Schnallen; ein heller lederner Zugriemen am Rücken. Spuren von 17 Ledersignakeln. An den unteren Kanten von VD und HD sechs Schutznägel. Buchblock beschnitten, vgl. etwa die angeschnittene Marginalie f. 74v.
Inhaltsangabe:
  • Iv, 1r-10v Historia de conceptione B.M.V. [Fragment]
    • (Ir) leer, vorne eingeschoben
    • (Iv) Antiphona. Dominica 4ᵃ Epiphaniae. Venite ad me
    • (1r) Historia de conceptione B.M.V., ad vesperas antiphona. [Reimoffizium.] Gaude mater ecclesia / noua frequentans gaudia … AH 5, p. 47-50; Rep. Hymn. 6857,
    • (10v) Ad tertiam antiphona. Ave mater gloriosa / virga ÿesse generosa / digna laude preciosa / ex regali stir … // bricht ab, so nicht in AH und Rep. Hymn. (auch nicht mit Salve),
    • (11r-14v) fehlen,
    • (15r) leer, mit Stempel D. B.,
    • (15v) leer.
  • 16r-187v [Antiphonarium officii historiatum: Pars hiemalis de tempore]
    • (16r-187v) [De tempore, pars hiemalis, usque ad sabbatum sanctum]
    • (16r) [Ad primam dominicam adventus.] Ecce dies … zu vermerken
    • (41r) Rubrik: >Ad processionem ad capellam B.M.V.<
    • (47r) Vigilia nativitatis,
    • (49r) Hodie nobis celorum rex
    • (56r) De sto. Stephano
    • (62v) Johannes Evg.
    • (89v) Epiphania
    • (110r) Dominica in septuagesima
    • (117r) sexagesima
    • (118v) quinquagesima
    • (124v) quadragesima, feria IVᵃ Cinerum keine Rubrik, die Fastensonntage sind nummeriert, aber fragmentarisch
    • (132bisr) Dominica secunda
    • (139r) tertia
    • (147r) quarta
    • (155v) Dominica in passione
    • (174r) In coena domini
    • (179v) Parasceve
    • (184r) Sabbato [sancto]
    • (187r) Ad nonam antiphonasepeliuit eum in sepulcro suo.
    • Folgt (187v) Nachtrag von vermutlich anderer Hand, in enger Gotica. Antiphona de abbatibus. Exultet omnium turba fidelium in transitu almi patris N …–… in celis.
  • 188r-261r [Antiphonarium officii: Pars hiemalis de sanctis] (188r) [De sancto Andrea.] Ambulans ihesus iuxta mare galylee … , (194v) Barbara, (200v) Nicolaus, (206v) Conceptio B. M. v., (208v) Thomas, (209r) Sebastianus, (216v) Agnes, (221v) Paulus, (228r) Purificatio B.M.V., (235r) Agatha, (240v) Cathedra Petri, (242v) Gregorius, (249r) Benedikt, (256r) Annunciatio B.M.V. (261r) … te recolamus et exultemus dicentes gloria tibi domine.
  • 261r-300v Commune sanctorum
    261v Isti sunt uiri sancti … , der (297v) einsetzende Teil De virginibus bricht (300v) ab, weil ab hier eine Reihe von Spoliierungen einsetzt (s.o.).
  • 309r-319r [Psalmus 94, ad matutinas, quattuor tonis (?), Fragment]
    Anfang des 1. Tones (?) fehlt. // … tari nostro preocupemus Jaciem eius … (301r) [recte: 310, s.o.] Venite exultemus domino … setzt (311r) ein [2. Ton?], bricht im 5. Vers ab, Foliierungssprung 311/318, dort (318v) mit Rubrik >Pro defunctis<, vermutlich 4. Ton (?), Vers 3, Textabbruch im Vers 5 am Ende des Blattes, auf dem Verso desselben (319v) Introitus-Vers des Requiem, mit Notation.
  • 320r-330v Antiphonae super psalmos feriales [cum annexis]
    • (320r) In vigilia pasche. Alleluia [V]espere autem sabati … bricht ab
    • (329v) in der Octava Paschae, vgl. die Wortreklamante [a]evia, die (330r) nicht aufgenommen ist. Statt dessen folgt auf dem letzten angeklebten Blatt der Nachtrag von der Hand des Joachim Cuontz.
    • (330r) [Antiphona de Sta. Scholastica.] O gloriosa soror scolasticacolumbe similis uisa es ascendere.
    • Folgen (330r-v) Rubriken von Joachim Cuontz zu Circumcisionis und Purificationis, zu dieser (330r unten) die Antiphon Regina celorum genuisti und (330v oben) Versus Intercede pro nobis Gloria patri. Nach 7 Zeilen letzter Rubriken zum gleichen Fest Rest der Seite leer.
Entstehung der Handschrift:
  • Der Band ist nicht st. gallisch und dürfte aus einem benediktinischen Kloster stammen (s.o.). Spätestens seit ca. 1510 (s.o.) in StiBSG; vielleicht von Franz Gaisberg gekauft, der im Cod. 546 von Joachim Cuontz genannt ist und dort Einträge vorgenommen hat. Stempel D. B. f. 15r und 261r. Alte Signatur M. n. 11 f. 1r.
  • Die Angabe bei Henggeler, Professbuch (1929), p. 248, wonach dieser Codex von der Hand Heinrich Kellers stamme, beruht auf Verwechslung oder Irrtum; zu Joachim Cuontz s. u.
Bibliographie:
  • Labhardt, Sequentiar (1959), p. 37, mit Hinweis auf den Nachtrag von Joachim Cuontz; zu diesem s. den von ihm verfertigten Cod. 546 und die Lit., bes. CMD-CH III, p. 287, ohne unsere Hs.;
  • Tadeusz Miazga, Antyfonarz kielecki Z 1372 toku ped wzgledem muzykologicznym [Das Antiphonar von Kielce in musikwissenschaftlicher Sicht], Graz 1977, p. 5, 167, Hs. erw.;
  • Arlt/Rankin, Codices 484 & 381 (1996), Bd.1: Kommentarband, nach Rankin, p. 103, waren neben Cod. 484 (weniger intensiv als 381) auch die jüngeren Codd. 388 und 545 eine der Quellen für den Cod. 546.