Basel, Universitätsbibliothek, B IV 3
Handschriftentitel: Postilla super Psalmos /
Entstehungsort: Oberrhein
Entstehungszeit: nach 1323 (2. Viertel 14. Jahrhundert)
Beschreibstoff: Pergament
Umfang:
1 Band (157 Blätter)
Format: 31 x 22 cm
Seitennummerierung: Moderne Bleistiftfoliierung: A.1-156.
Lagenstruktur:
Die Hs. besteht aus dreizehn Sechserlagen: 13 VI156. Zählung der Doppelblätter auf den Rectoseiten in der ersten Lagenhälfte: I-VI, in der zweiten Lage über die Mitte hinaus: VII (19r), meist mit Stift, sehr flüchtig und nur teilweise sichtbar, in den Lagen 8 und 11-13 hingegen mit Tinte, die Ziffer 4 dort zweimal arabisch (88r und 136r); moderne (?) Lagenzählung mit Bleistift jeweils unten auf der letzten Seite zwischen den beiden mittleren Linien der Spaltenbegrenzung: I (12v) - XIII (156v). Reklamanten, rot gerahmt und verziert, meist mit Fratze, vgl. Ausstattung (Schrift).
Seiteneinrichtung:
Stiftliniierung, der ganze Schriftraum zusätzlich zur vertikalen Begrenzung der Spalten rundherum in der Mitte des Randsteges mit Doppellinien eingerahmt; Schriftraum 22 x 15 cm, zweispaltig (6,5-7 cm), 53 Zeilen.
Schrift und Hände:
Gotische Minuskel von der gleichen Hand, die auch B V 5 schrieb, mit Ausnahme einer Partie von 188r (Händewechsel in Zeile 8 der ersten Spalte und wieder zurück am Ende der ersten Zeile der zweiten Spalte). Die Oberlängen der ersten Zeile bisweilen schlaufenartig ausgezogen und verziert, besonders in den vorderen Lagen, öfters mit hunds- und menschenähnlichen Fratzen oder Drolerien, seltener auch sonst an den Rändern des Schriftraums, vgl. auch die Reklamanten.
Buchschmuck:
- Rubrizierungen: Rote Überschriften, Vorgaben (Zählung der Psalmen) am Rand, die Bibelzitate rot unterstrichen, rote und blaue Paragraphenzeichen.
- Initialen: Zu Beginn der meisten Kapitel dreizeilige, abwechselnd rote und blaue Lombarden, die blauen mit rotem, die roten bis 49va mit braunem (Schreibtinte), danach auch mit blauschwarzem Fleuronné. 1ra (Prolog), 3va (Ps 1), 28ra (Ps 26), 42vb (Ps 38), 58va (Ps 52), 72vb (Ps 68), 90rb (Ps 80), 108va (Ps 97) und 123rb (Ps 109) neun- und zehnzeilige, rot-blau ornamental gespaltene Initialen mit teils anthropokephalen, hohe Hüte tragenden Fabelwesen in den Schaftaussparungen, mit Fleuronné in Rot und Violett oder Braun, sowie einseitigen Fleuronnéstäben, daran sechs- oder achtzählige Rosetten, in den Binnenfeldern zudem Medaillons (auch Rauten) in den zusätzlichen Farben Grün und Weinrot, mehrheitlich vegetabil; 1r ein solches auch am rechten Seitenrand, freistehend, mit langen Fadenausläufern. Die Initialen gliedern den Text nach liturgischem Gebrauch (Offizium: Matutin, nach den Tagen der Woche) entsprechend dem Cursus Romanus.
Spätere Ergänzungen: Korrekturen des Schreibers, z.B. 3ra, 83rb, 130va. Die Korrekturen eines nachträglichen Durchgangs stammen möglicherweise ebenfalls vom Schreiber und stimmen teilweise überein mit den Vorgaben für die Rubrizierung (Schrift und Tinte).
Einband:
Mit weichem weissem Leder bezogene, mit dem Buchblock bündige Holzdeckel, teils ziemlich abgenutzt und wurmstichig bis in den Buchblock (Bll. 1-4 und 152-156) hinein, wohl 14. Jh. (älter als das Vorsatzblatt); der Rücken restauriert von W. Bitz, 1951. Streicheisenlinien: dreifache Diagonalen in doppeltem Rechteck, nur schwach eingeprägt, rot eingefärbt (?), auf der dunkeln Rückseite (einst Oberseite) kaum sichtbar. Ehemals je fünf mit drei Nägeln befestigte Metallbuckel im Vorder- und Rückdeckel, mit jeweils drei in drei auseinanderlaufenden Spitzen endenden Füssen, vgl. UB Basel, B V 5, nur noch ganz schwache Spuren sichtbar. Ehemals zwei nach hinten greifende Langriemenschliessen, die beiden Riemenbefestigungen im Vorderdeckel erhalten: aufgenagelte Scheiben in Form einer sechszähligen Blüte, die Dorne im Rückdeckel nicht mehr vorhanden. Auf der äusseren Kante des Vorderdeckels ist eine Naht sichtbar. Ehemals Catenatus, Spuren einer Kettenklammer am unteren Rand des Vorderdeckels (fünf Löcher und der Schaft eines Eisennagels). Spiegelblätter Pergament, das Vorsatzblatt (A) Papier, Wasserzeichen: Ochsenkopf, eine Variante von Piccard, Wasserzeichenkartei Nr. 76719, nachgewiesen 1466. Auf dem Rückdeckel Titelschild: Postilla Nicolai de lira / super psalterium mit Besitzvermerk in Rot (siehe Besitzgeschichte) und alter Signatur: Y, darunter ein grosser Asterisk (weitere Zahlen oder Buchstaben nicht sicher lesbar, möglicherweise x, am unteren Rand zudem noch 4 oder doch 8, vgl. Meyer/Burckhardt, S. 311), Pergament, 14. Jh.; auf dem Rücken ein jüngeres Titelschild, Papier: Nicolaus d. Lyra / Post. sup. / Psalterium, vielleicht 17. Jh.
Hauptsprache: Lateinisch
Inhaltsangabe:
- Vorsatzblatt [Ar ] Inhaltsangabe: Nicolaus de Lyra super Psalterium
- Vorsatzblatt [Av ] Leer.
-
1ra-156rb
Postilla super Psalmos (prioris editionis).
>Incipit postil[la] f[ratris] N[icolai] de Lyra super psalter[i]um<
Propheta magnus surrexit in nobis. Luc[e] vii [Lc 7,16]. Quamvis liber psalmorum apud Hebreos inter agyographa computetur, tamen apud Latinos inter libros propheticos reputatur …
- (1va) Ad evidenciam maiorem huius libri … Queritur utrum David fuit eximius prophetarum …
-
(3va)
>Primus psalmus<
Beatus vir [Ps 1,1]. Quamvis beatus Augustinus dicat ipsum David fuisse a[u]ctorem omnium psalmorum …–…
[155vb ] >Clxxx<. Laudate dominum in sanctis eius [Ps 150,1]. Huic psalmo premittitur talis titulus in Heb[reo], et in translacione Iero[nim]i: Alleluia … qui ibi continue laudant deum secundum quod dicitur supra psalmo lxxxiii: Beati qui habitant … in secula seculorum. Amen.
>Explicit postilla super librum psalmorum, edita a fratre Nicholao de Lyra de ordine fratrum minorum, sacre theologie doctore. Anno domini Mo ccco xxiiio<
Die Zählung bis 180 ergibt sich dadurch, dass die üblicherweise nach dem hebräischen Alphabet gezählten Abschnitte von Ps 118 hier durchgängig einbezogen und mitgezählt sind, der Buchstabe Lamed jedoch übersprungen wurde (kein Einschnitt) und zudem auf die römische Zahl 139 irrtümlich gleich 150 folgt. Stegmüller, Repertorium Biblicum Nr. 5853, Hs. aufgeführt; vgl. zu den Textabweichungen Meyer/Burckhardt, S. 310.
- 156v Leer.
Entstehung der Handschrift: Die Hs. ist am Ende (156rb) datiert auf 1323, in welchem Jahr wahrscheinlich der Text selbst oder die Vorlage entstanden ist. Der Buchschmuck stimmt sehr deutlich überein mit den drei erhaltenen Bänden P 13 fol.:1, 3 und 4 in der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, welche Hugo von Tennach 1338-1340 im Auftrag Peters von Bebelnheim schrieb, vgl. Bretscher/Kamber/Mangold, S. 33 f. und Beer, S. 26 f. zu dem von ihr definierten Oberrheinischen Initialstil, Gruppe 4. Die Hs. ist auch aufgrund des Buchschmucks, seiner Lokalisierung im Raum zwischen Vogesen und Voralpen sowie der Übereinstimmung mit weiteren Hss. etwas später als 1323, in das zweite Viertel des Jahrhunderts zu datieren.
Erwerb der Handschrift:
Im vorderen Spiegel Besitzeintrag der Universitätsbibliothek von der Hand Heinrich Pantaleons: "Ex libris Bibliothecae Academię Basiliensis. 1559." 1r Bibliotheksstempel (oval): "Bibl. publ. Basileensis", um 1800, vgl. Agnes Wegmann, Schweizer Exlibris bis zum Jahre 1900, Bd. 1, Zürich 1933, Nr. 368 (Schreibung) bzw. 369 (Abmessungen). Im hinteren Spiegel am unteren Rand klein: "Iste liber est fratrum predicatorum ba[siliensium]". Auf dem Schild des Rückdeckels (siehe Einband) im Anschluss an den Titel, in Rot: "fratrum Iohannis et Hugonis de Münchenstein". Zu Hugo und Johannes Münch von Münchenstein siehe Helvetia sacra IV/5.1, S. 238 f. und 241.
Bibliographischer Nachweis:
- Schmidt, Philipp. - Die Bibliothek des ehemaligen Dominikanerklosters in Basel. In: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 18 (1919), S. 160-254, hier S. 218, Nr. 244.
- Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel, beschreibendes Verzeichnis. Abt. B: Theologische Pergamenthandschriften, bearbeitet von Gustav Meyer und Max Burckhardt. - Bd. 1, Basel 1960, S. 310 f.
Literatur:
- Beer, Ellen J. - Beiträge zur oberrheinischen Buchmalerei in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. - Basel u. Stuttgart, 1959, S. 67 f., Nr. 7.
- KdS Basel-Stadt V = Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Bd. 52. - Maurer, François. - Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt V: Die Kirchen, Klöster und Kapellen. Dritter Teil: St. Peter bis Ulrichskirche. - Basel, 1966, S. 315, Nr. 7 (mit einer Beobachtung zum Buchschmuck).
- Neidiger, Bernhard. - Selbstverständnis und Erfolgschancen der Dominikanerobservanten. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 17 (1998), S. 67-122, hier S. 98, Anm. 168 (Hs. genannt als Vorbesitz des Priors Johannes Münch) und 169.
- Roland, Martin. - Art. Fleuronné, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, IX. Band. - München 2003, Sp. 1165 (Hs. erwähnt) und Abb. 40 (Sp. 1175).
- Bretscher-Gisiger, Charlotte; Kamber, Peter; Mangold, Mikkel. - Katalog der mittelalterlichen Handschriften des Klosters St. Urban. - Dietikon-Zürich, 2013, S. 33 f. (Einleitung) und 99-103 (Beschreibung von P 13 fol.:1, 3 u. 4).
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