St. Gallen, Kantonsbibliothek, Vadianische Sammlung, VadSlg Ms. 327
Handschriftentitel: Stundenbuch
Entstehungsort: Flämisch oder französisch
Entstehungszeit: Mitte des 15. Jahrhunderts
Beschreibstoff:
Pergament
Umfang:
72 Blätter
Format: 18 x 13 cm
Seitennummerierung: Neue Foliierung 1–72
Lagenstruktur: III6 + (IV+3)17 + (IV+1)26 + (IV+2)36 + (III+3)45 + (IV+3)56 + (IV+1)65 + (IV-2+1)72, nach Bl. 71 ein Blatt herausgeschnitten, an seiner Stelle ein Papierblatt eingeklebt. Die eingesetzten Einzelblätter enthalten die eingeklebten historisierten Initialen.
Seiteneinrichtung:
Tintenliniierung, Schriftraum 11 x 7,5, 20 Zeilen
Schrift und Hände:
Textualis von einer Hand
Buchschmuck:
- Rubriziert, Überschriften rot.
- Einzeilige goldene Lombarden mit schwarzem Fleuronné und blaue Lombarden mit rotem Fleuronné
- Initialen: 2zeilige goldene Lombarden mit Blattranken-Fleuronné auf Gründen im Blau und Rot mit weissen Zierstrichen
- Miniaturen/Zeichn.:
Zu Beginn der Offizien je 2 Zierseiten: auf der linken Seite ganzseitige Miniatur mit dreiseitigen Bordüren aus schwarzen und grünen Ranken mit mehrfarbigen Blüten, Früchten und Fruchtknoten, auf der rechten Seite Text, zu Beginn 5zeilige rote und blaue Lombarden mit Blattranken-Fleuronné auf goldenen blauen und roten Gründen, den Schriftspiegel umfassen zu 3 Seiten schmale Stäbe in Gold, Rot und Blau sowie zu allen 4 Seiten Bordüren aus schwarzen und grünen Ranken mit mehrfarbigen Blüten, Früchten und Fruchtknoten.
Miniaturen in Deckfarbenmalerei:- 7v Kreuzigung mit Maria und Johannes (Hl.-Kreuz-Offizium).
- 10v Pfingsten (Hl.-Geist-Offizium).
- 13v Engel bringt der gekrönten Maria mit Kind eine Gabe im Garten (Marienmesse).
- 13r Verkündigung an Maria (Matutin).
- 27v Heimsuchung Marias (Laudes).
- 34v Geburt Christi (Prim).
- 37v Verkündigung an die Hirten (Terz).
- 40v Anbetung der Drei Könige (Sext).
- 43v Darbringung im Tempel (Non).
- 46v Kindermord in Bethlehem (Vesper).
- 50v Flucht nach Ägypten (Komplet).
- 53v Jüngstes Gericht (Busspsalmen).
- 63v Totenmesse (Totenvigil).
Einband:
Schwarzes Leder auf Holz, 15. Jh. Streicheisenlinien und Einzelstempel mit Goldpressung; im Zentrum vorn Christus am Kreuz, hinten Maria mit Kind auf der Mondsichel stehend, darum Bordüren aus Goldranken. Ehemals zwei nach hinten greifende Kantenschliessen, Messingteile auf dem Hinterdeckel erhalten. Goldschnitt. Rücken erneuert, wohl im 18. Jh. mit eingepresstem Titel Horae pontifici
Inhaltsangabe:
Das Stundenbuch aus der Mitte des 15. Jahrhunderts erhielt die Miniaturen zu Beginn der Tagzeitengebete im Atelier des «Goldranken-Meisters», das vermutlich in Brügge angesiedelt war. In der Mitte des 16. Jahrhunderts befand sich das Stundenbuch im Piemont. Als es neu eingebunden wurde, liess der Besitzer zusätzlich eine Serie von ausgeschnittenen historisierten Initialen mit den gleichen Bildthemen wie die Miniaturen einfügen. Der bibliophile St. Galler Kaufmann Jakob Studer schenkte es 1615 der städtischen Bibliothek.
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1r–6v
Kalendar.
Goldene Zahl, Sonntagsbuchstaben. Bemerkenswert: Mauri abbatis (15. 1.), Alegundis virginis (30. 1.), Romani abbatis (28. 2.), Quintini martyris (30. 4.), Nicolai (translatio, 9. 5.), Servacii episcopi (13. 5.), Eligii episcopi et martyris (25. 6., rot), Elevatio Thome (3. 7.), Remigii et Bavonis (1. 10.), Dionysii (9. 10., rot), Severini (21. 10.), Eligii (1. 12.) - 7r leer
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7v–9v
Officium de sancta cruce
Miniatur. 8r
>Incipiunt hore sancte Marie<.
Domine labia mea …–…
solacium mortis in agone. Amen
Mit AH 30 Nr. 13, 2-7 - 10r Eingeklebte Initiale, sonst leer
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10v–12v
Officium de sancto spiritu
Miniatur. 11r
>Incipiunt hore sancte spiritus<.
Domine labia mea …–…
ut vivamus iugiter celi regione. Amen
Mit AH 30 Nr. 5 - 13r leer
- 13v–17r Missa BMV Miniatur. 14r >Incipit missa beate Marie virginis<. Introibo ad altare dei …–… Benedicamus domino. Deo gracias
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17r–19v
Evangelienperikopen
>Inicium sancti evvangelii secundum Iohannem<.
In principio erat verbum …–…
confirmante sequentibus signis. Deo gracias
Io 1,1–14; Lc 1,26–38; Mt 2,1–12; Mc 16,14–20 - 20r Eingeklebte Initiale, sonst leer
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20v–52v
Officium BMV
Miniatur. 21r
>Incipiunt hore beate Marie virginis secundum usum Romane<.
Domine labia mea …–…
Concede nos famulos tuos
Matutin mit AH 50 Nr. 72, 1-5; 27v Miniatur, 28r Laudes mit AH 50, Nr. 72, 6-9; 34v Miniatur, 35r Prim; 37v Miniatur, 38r Terz; 40v Miniatur; 41 Sext; 43v Miniatur, 44r Non; 46v Miniatur, 47r Vesper mit AH 51 Nr. 123; 50v Miniatur, 51r Komplet - 52r leer
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53v–62v
Psalmi poenitentiales et litania
Miniatur. 54r
>Incipiunt septem psalmi penitenciales<.
Domine ne in furore
60r Litanei - 63r leer
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63v–71v
Officium defunctorum.
Miniatur. 64r
>Incipiunt vigilie mortuorum. Antiphona.<.
Placebo. Dilexi quoniam exaudiet …–…
Partem beate resurrectionis … seculorum. Amen
Nur eine Nokturn. Responsorien nach Ottosen, Knud. - The responsories and versicles of the Latin Office of the Dead, Aarhus 1993, Nr. 14-72-38: französische Diözesen. Das Totenoffizium bricht in den Laudes ab - 72rv Eingeklebte Initialen, sonst leer
Entstehung der Handschrift:
Bräm lokalisiert die Buchmalerei in Brügge. Die Responsorien des Totenoffiziums weisen auf eine französische Diözese. Auf dem Spiegelblatt vorn 2 komputistische Schemata, das obere mit der Datierung 1388: … sancti Agostini M.ccc°lxxxviii. Diese Datierung, geschrieben im späten 15. Jh., bezieht sich nicht auf die Entstehung der Handschrift.
Provenienz der Handschrift: Spiegelblatt hinten: Questo officiolo de la madona me a dato il mio signor padre Thomasso Suardo a Camin [Camino, Piemont] in lo castello dove nacque in la camera de la volta lan 1548 a dj xx de maggio. Et fu baptizata a san Gotarde nel detto loco de Camin. Et me fu posto nomine (?); darüber J. Studer manu propria. Spiegelblatt vorn von der Hand Studers Nr. 37.
Erwerb der Handschrift: Verzeichnet im Donatorenbuch VadSgl Ms. 10, 20r unter den lateinischen Handschriften Officia beatae Virginis Mariae, gar schön auf pergament mit schönen figuren geschriben. Anno 1388, in 4°. Verzeichnet im Handschriftenkatalog der Stadtbibliothek St. Gallen von 1649, 7r unter den libri manuscripti in 4°: 63. Preces horarum canonicarum, in pergameno, mit zierlichen figuren. 1r und 72v Stempel Vadian. Bibliothek, 19. Jh.
Bibliograph. Nachweise
- Gustav Scherrer. - Verzeichniss der Manuscripte und Incunabeln der Vadianischen Bibliothek in St. Gallen. - St. Gallen 1864, S. 90f.
- Wegelin, Peter . - Kostbarkeiten aus der Vadiana St. Gallen in Wort und Bild. - St. Gallen 1987, S. 43–50 mit Abb.
- Gamper, Rudolf. - Sum Jacobi Studeri Sangallensis : die Sammlung des bibliophilen Kaufmanns Jakob Studer (1574-1622) in der Vadiana / Rudolf Gamper; unter Mitarbeit von Gertraud Gamper und Fredi Hächler. - St. Gallen 2001, S. 19–21 (Abb) und 51
Literatur
- Bräm, Andreas. - Kopie und Innovation im Buchmaleratelier des Goldranken-Meistes, in: Librarium 37 (1994), S. 84–95