Basel, Universitätsbibliothek, O I 18, f. 17v – Thüring von Ringoltingen, Geschichte von der schönen Melusina
http://www.e-codices.ch/de/ubb/O-I-0018/17v
Basel, Universitätsbibliothek, O I 18, f. 17v – Thüring von Ringoltingen, Geschichte von der schönen Melusina
http://www.e-codices.ch/de/ubb/O-I-0018/17v
Kurzcharakterisierung:Nikolaus Meyer zum Pfeil,
Ratsschreiber von Basel, besass bereits im 15. Jahrhundert eine grössere
Sammlung von Frühdrucken vorwiegend deutscher Unterhaltungsliteratur und
schrieb selbst mehrere Handschriften, so im Jahr 1471 die Melusine des Thüring
von Ringoltingen. Die Papierhandschrift enthält 38 kolorierte Federzeichnungen,
welche offenbar von zwei verschiedenen Malern stammen. Aufgrund von
Blattverlusten weist der Text heute Lücken auf; ob auch Illustrationen verloren
gingen, lässt sich nicht mehr klären.(flr)
Thüring von Ringoltingen, Geschichte von der schönen Melusina
Wie zitieren:
Basel, Universitätsbibliothek, O I 18, f. 17v – Thüring von Ringoltingen, Geschichte von der schönen Melusina (https://www.e-codices.ch/de/list/one/ubb/O-I-0018)
Handschriftentitel: Thüring von Ringoltingen: Geschichte von der schönen Melusina
Entstehungsort: Basel
Entstehungszeit: 1471.03.21
Beschreibstoff: Wasserzeichen: gotisches P mit Blume darüber (Briquet 8593 eher als 8606, vgl. Binz) bzw. gotisches P mit Triflekreuz (Variante von Briquet 8606 und 8651, vgl. Escher). Starke Gebrauchsspuren, an den Rändern beim Umbinden 1872 vielfach ausgebessert.
Umfang:
1 Schachtel (8 einzeln gebundene Lagen): mit Buchschmuck/Illustration
Format: 29 x 20,5-21 cm
Seitennummerierung: Fortlaufende Bleistiftfoliierung von ca. 1872: 1-83; vereinzelt ältere Zählung mit Tinte noch sichtbar, z.B. Bl. 4 (= neu Bl. 4) oder Bl. 8 (= neu Bl. 7). Vorsatzblätter (inkl. Vorsatz 19. Jh. vor der ersten Lage) nicht foliiert; moderne Ergänzungsblätter aus der Restaurierung von 1994 (z.B. zwischen Bl. 4 und 5) nicht foliiert.
Lagenstruktur: 8 Lagen, je einzeln neu gebunden und mit Vosatz versehen, fehlende Blätter ungezählt ergänzt: ((V-1)⁹+1); ((VI-2)¹⁹+2); ((V-1)²⁸+1+I); ((VI-1)³⁹+1); VI⁵¹; VI⁶³; ((VI-1)⁷⁴+1); ((VI-3)⁸³+3); Blatt- und Textverlust zwischen Bl. 4 und 5 (es fehlen ca. 40 Zeilen, ev. mit Bild?), zwischen Bl. 9 und 10 (ca. 40 Zeilen), zwischen Bl. 10 und 11 (ca. 40 Zeilen), zwischen Bl. 17 und 18 (ca. 35 Zeilen, ev. mit Bild?), zwischen Bl. 19 und 20 (ca. 90 Zeilen), zwischen Bl. 28 und 29 (ca. 30 Zeilen), zwischen Bl. 31 und 32 (ca. 30 Zeilen), zwischen Bl. 67 und 68 (ca. 35 Zeilen), zwischen Bl. 76 und 77 (ca. 34 Zeilen), zwischen Bl. 79 und 80 (ca. 35 Zeilen).
Seiteneinrichtung:
Schriftraum 21 x 13,5 cm, in Abschnitte ohne Überschriften gegliederter fortlaufender Prosatext, 28-29 Zeilen.
Schrift und Hände:
Geschrieben 1471 in Basel von Nikolaus Meyer zum Pfeil.
Buchschmuck:
Anfänge der Absätze durch 2-3 Zeilen hohe rote Initialen hervorgehoben. Die grossen Buchstaben vielfach von links oben nach rechts unten gestrichelt.
Miniaturen/Zeichn.:
38 Illustrationen in ganzer Breite und ungefähr halber Höhe des jeweiligen Blattes: Mit Wasserfarben kolorierte braune Federzeichnungen. Oberrheinischer Kunstkreis (Handschriftenvergleich, siehe Escher 1917). Die Malereien sind vermutlich gleichzeitig mit dem Text in Basel entstanden.
2v: Der Graf von Forst reitet mit zweien seiner Söhne heim, während Raimund bei dem unter dem Torbogen seines Hauses stehenden Grafen Emmerich von Poitiers bleibt.
3v: Graf Emmerich reitet mit Raimund auf einen Wald zu und weissagt ihm aus Mond und Sternen seinen (Emmerichs) baldigen Tod.
4v: Raimund reitet betrübt von der Leiche des Grafen Emmerich und vom erlegten Eber weg.
8r: Die Leiche des Grafen wird von zwei Männern an eine Stange gebunden und heim getragen.
9r: Raimund und der Mann mit der Hirschhaut stehen vor dem auf einem Thronsessel mit Baldachin sitzenden Grafen Bertram.
11v: In einem durch einen Altar mit Tuch, Retabulum, Kelch und Kelchdecke als Kapelle gekennzeichneten Raum traut ein Bischof in Gegenwart von drei anderen Personen Raimund und Melusine.
12v: In Gegenwart von drei Personen besprengt ein Bischof das Hochzeitsbett Raimunds und Melusines mit Weihwasser.
14r: Raimund und Melusine beaufsichtigen den Bau des Schlosses Lusinia, mit welchem drei Architekten beschäftigt sind.
15r: Der im Wochenbett (mit Baldachin und Vorhängen) liegenden Melusine bringt die Amme den ersten Sohn (Urieus) mit einem roten und grünen Auge.
16v: Urieus mit zwei Gefährten in einem Segelschiff nimmt von der am Ufer stehenden Melusine Abschied.
19v: In einem Gemach mit farbigem Plattenboden und Holzdecke steht das Sterbebett des Königs von Cypern; davor vermählt ein Bischof im Beisein von drei Männern Urieus und Herminia.
20v: Antoni und Reinhart von Lusinia, mit Bogen, Streitaxt und einem Schild mit Maske, schlagen die Krieger des Königs von Elsass in die Flucht.
24r: Links traut ein Bischof im Beisein von zwei Personen Antoni von Lusinia und die Fürstin von Lützelburg. Rechts zwei Paare im Reigen und zwei Musiker mit Flöten.
27r: Türken belagern die von drei Kriegern verteidigte Stadt Prag und verbrennen die Leiche des Königs von Elsass. Das türkische Abzeichen beschränkt sich auf die Fahne mit Halbmond.
31r: In einer Kapelle traut ein Bischof im Beisein des Königs von Böhmen, zweier Männer und zweier Frauen, Reinhart von Lusinia und Eglantina von Böhmen. Altar bedeckt mit bunter Decke, darauf Kelch, Leuchter und Missale; Retabulum.
32v: Freimund von Lusinia, von seinem Vater und einem Bruder (?) begleitet, wird von zwei schwarz gekleideten Mönchen des Klosters Malliers empfangen.
35r: Melusine als Meerwesen im Badehaus; vor der Türe steht Raimund, seinem davonreitenden Bruder nachblickend.
38v: Geoffroy von Lusinia, an dem aus dem Mund herausragenden spitzen Zahn kenntlich, steht an der Leiche eines Riesen und ruft mit dessen Horn einige Krieger herbei.
40v: In felsiger Landschaft erhält der mit grosser Partisane bewaffnete Geoffroy von einem Boten mit Speer einen Brief mit Siegel.
42v: Geoffroy steckt das mit Türmen bewehrte Kloster Malliers in Brand, wobei zwei Mönche verbrennen.
43v: Raimund und Melusine treten aus dem Burgtor; Raimund nimmt von einem Boten einen Brief in Empfang.
46r: Melusine liegt ohnmächtig auf dem grünen Erdboden, ein Mann flösst ihr Wasser ein, zwei andere Männer und eine Frau stehen erschreckt dabei. Wand mit Rundbogenfenstern, Holzdecke.
49r: In einem Gemach mit buntem Plattenboden und Holzdecke liegen Raimund und Melusine ohnmächtig auf dem Lager, dahinter stehen zwei Männer und eine Frau.
50v: Melusine mit Drachenleib und Flügeln fliegt über den Schlossgraben (mit Schwan und Fisch) aus dem Schloss weg, über dessen Mauer ihr zwei Männer nachblicken.
52r: In geräumigem Gemach mit farbigem Plattenboden, Holzdecke und Ausblick auf die Landschaft steht links ein Bett, in welchem zwei Mägde liegen, rechts sitzt bei der Wiege Melusine in menschlicher Gestalt und säugt den jüngsten Knaben.
54v: Geoffroy zu Pferd berennt mit der Partisane den mit Eisenstange und Schwert bewaffneten Riesen.
56v: Geoffroy schlägt mit dem Schwert nach dem Riesen, der in der Felsspalte verschwindet.
58v: Geoffroy lässt sich an seinem Speer in die Höhle hinab.
59v: Geoffroy steht in einer Gruftkapelle zu Füssen des Tischgrabes des Königs Hermas. Daneben stehen zwei Statuen, die eine diejenige der Königin Persina.
62v: Geoffroy hat den Riesen erlegt und öffnet mit einem Schlüssel das Gefängnis.
64r: Geoffroy lässt durch vier Männer die auf einem zweirädrigen Wagen sitzende Leiche des Riesen fortschaffen.
66r: Der Graf von Forst stürzt sich, von Geoffroy mit dem Schwert bedroht, von der Stadtmauer herab, auf welcher drei Männer zusehen.
68r: Geoffroy, ohne Rüstung, beaufsichtigt in Begleitung eines Mönchs und eines anderen Mannes den Wiederaufbau des Klosters Malliers, an dem vier Arbeiter beschäftigt sind.
69r: In einer Kapelle (Altar) kniet Raimund von Lusinia vor dem thronenden Papst, der ihm die rechte Hand auf den Kopf legt.
70r: In einem Gemach mit flach gewölbter Holzdecke, Bogenfenstern und Sitzbank mit Decken und Kissen kniet Geoffroy vor dem thronenden Papst.
70v: Vor dem Stadttor stehend bespricht sich Geoffroy mit einem Boten.
72r: In Gegenwart der Schlossherrin füttert Gyot den Sperber. Das Schloss besteht aus vier Mauern mit Tor zwischen vier gedeckten Rundtürmen. An einer Seite ein hölzerner Laufgang ("Hurd").
80r: In einem Gemach mit buntem Plattenboden und Holzdecke das Sterbebett Geoffroys mit bunter Decke; ein Priester besprengt den Sterbenden mit dem Weihwedel, ein Mann am Fussende hält das Wassergefäss, ein dritter steht trauernd zwischen ihnen.
Einband:
Die 8 Lagen sind je mit neuen Vorsatzblättern versehen und in feste Kartondeckel gebunden; alle Lagen werden gemeinsam in einer Konservierungsschachtel aufbewahrt. Der nicht erhaltene Einband von ca. 1872 sah nach der Beschreibung von Binz folgendermassen aus: Pappe, mit braun marmoriertem Papier überzogen, brauner Lederrücken mit weissem Titelschild von Ludwig Sieber "Melusina 1471".
Hauptsprache: Deutsch (Alemannisch mit baslerischen Eigenheiten)
Inhaltsangabe:
Vorsatz 19. Jh.
Titel, bibliographische Angaben und Notiz zu den 1872 ausgebundenen Drucken. Geschrieben von Ludwig Sieber
1r-82vTüring von Ringoltingen: Geschichte von der schönen MelusinaEs ist gewesen vor zitten ein graff von Poytiers in Franckenrich der was herr zu Portenach. Der begerte von eynem sinem capplan das er im uss allen siner vordern alten cronicken wöllte zůsamen lesen wie oder durch was lute das schloss und statt Lusynen in Franckenrich gelegen angehaben, gebuwen und gestifft und von was geschlechtes der selb graue von sinen vordern were und hiess in mit rymen dess ein bůch machen … Noch den zitten dess kungs von Franckenrich genant Ottonyens da was zu Poytow in dem kungrich zu Franckrich ein edler graff wol ernampt. Der was genant Eymrich …–…
[82r]
Und wann ich Thüring von Ringgelltingen von Bern uss Ochtland vernomen han das solich gedicht diss bůchs biss uff diss zitt in tutscher zungen und sprach noch nie funden ist, harumb so hab ich zů dienst und eren als vor geschriben statt jn dem anefang und mit gottes hillff ze tutsch understanden ze machen und ouch das volbracht uff Donstag morndes nach sannct Vicentien des heilgen marters tag, do man zallt von der geburt Christi XIIII(c) [L]VI jar [L ist ausradiert] … [82v] Ich hab ouch von dem genanten von Erlach gehord das die graffen von sannct Paulus oder von sanct Pol in Franckrich ouch dess selben stammen gewesen syent und das sy in irem woppen füren Melusine die merfeyen in der form als sy denn all sambstag was hin uff ein wiblich billd und von dem nabell herab ein slang. Deo gracias. Finitum per me Nicolaum Meiger feria sexta ante dominicam iudica anno MCCCCLXXIº.
Im Vergleich zu den gedruckten Ausgaben mit 64-70 Holzschnitten enthält die Handschrift nur 38 Bilder, wobei nicht klar ist, wieviele mit den fehlenden Blättern verloren gingen. Es fehlt zudem die Vorrede
Drucke z.B.: Basel (Bernhard Richel) 1473/1474 und Augsburg (Johann Bämler) 1474
Ed. nach den Handschriften: Schneider, Karin (1958), S. 36-133
Provenienz der Handschrift:
Aus dem Museum des Remigius Faesch. In Faeschs eigenhändigem Katalog (AR I 11) nicht aufgeführt, wohl aber in Daniel Hubers Verzeichnis der Faeschischen Handschriften (AR I 16, 3r) als Nr. 78 unter den Libri in folio: "Historia von der Melusina. Ms. 1471. c. aliis impr. 1471.1477", vgl. zudem Hänel Sp. 657. Dem Sammelband waren nach einer Notiz des Oberbibliothekars Ludwig Sieber auf dem Vorsatzblatt der Hs. (siehe Vorsatz 19. Jh.) folgende Drucke eingebunden: 1) Apollonius von Tyrus (Augsburg: Zainer 1471), Standort heute Inc. 216; 2) Francesco Petrarca, Griseldis [deutsch] (Augsburg: Zainer 1471), Standort heute Inc. 217; 3) Aeneas Sylvius, De duobus amantibus, deutsch von Nikolaus von Wyle (Strassburg: Knoblochzer, nicht vor 1477), Standort heute AM VI 9a; 4) Hans Erhard Tüsch, Burgundische Historia (Strassburg: Knoblochzer 1477), Standort heute AM VI 9b.
Erwerb der Handschrift: Im September 1872 erfolgte die Auflösung des Sammelbandes und eine Neubindung der Melusine ohne die gedruckten Teile. Von Januar bis August 1994 wurde im Rahmen eines Restaurierungsprojektes der Band von 1872 in seine Lagen aufgelöst, diese einzeln neu gebunden und eingeschachtelt. Die fehlenden Blätter wurden durch moderne leere Blätter ersetzt.
Bibliograph. Nachweise
Escher, Konrad. - Die Miniaturen in den Basler Bibliotheken, Museen und Archiven. - Basel, 1917, Nr. 250
Scarpatetti, Beat Matthias von u.a. - Katalog der datierten Handschriften in der Schweiz ..., Bd. 1. - Dietikon; Zürich, 1977, Nr. 602
Arnim, Manfred von. - Katalog der Bibliothek Otto Schäfer, Schweinfurt 1,2. - Stuttgart, 1984, S. 479-483 zu Nr. 234
Literatur
Schneider, Karin. - Thüring von Ringoltingen: Melusine. - Berlin, 1958 (=Texte des späten Mittelalters, Heft 9)
Ochsenbein, Peter. - Art. Gebetbuch des Niklaus Meyer zum Pfeil. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 2. - Berlin; New York, 1980, Sp. 1119f., hier Sp. 1119
Clier-Colombani, Françoise. - La fée Mélusine au moyen âge. - Paris, 1991
Backes, Martina. - "[...] von dem nabel hinauff ... Zur Illustrierung deutscher Melusinehandschriften des 15. Jh.s. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch ; 37 (1996), S. 67-88
Stolz, Michael. - Wolfram-Lektüre für die spätmittelalterliche Stadt. Erkundung einer literarischen Topographie am Beispiel des Berner Parzival. In: Germanistik in der Schweiz. Online-Zeitschrift der SAGG 1 (2002)
Backes, Martina. - Fremde Historien. - Tübingen, 2004, S. 104 und passim
Le Goff, Jacques. - Héros & merveilles du Moyen Age. - Paris : Seuil, 2005, S. 147
Schnyder, André. - Literarische Aspekte des Werkes. In: Thüring von Ringoltingen, Melusine (1456). Nach dem Erstdruck Basel: Richel um 1473/74 hg. von André Schnyder in Verbindung mit Ursula Rautenberg, Bd. II: Kommentar und Aufsätze. - Wiesbaden 2006, S. 115-137, hier S. 116
Domanski, Kristina. - Die "Melusine" als illustriertes Buch : zum Wechselspiel zwischen Text und Bild im frühen Buchdruck / Kristina Domanski. In: Eulenspiegel trifft Melusine: der frühneuhochdeutsche Prosaroman im Licht neuer Forschungen und Methoden : Akten der Lausanner Tagung vom 2. bis 4. Oktober 2008 / hrsg. von Catherine Drittenbass und André Schnyder. - Amsterdam : Rodopi, 2010 (Chloe ; Bd. 42). - S. 257-278e