St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 673
Lenz Philipp / Ortelli Stefania, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 3: Abt. V: Codices 670-749: Iuridica; Kanonisches, römisches und germanisches Recht, Wiesbaden 2014, S. 17-20.
Titolo del codice: Frühe Version des Decretum
Luogo di origine: Nord-/Mittelitalien (Emilia/ Modena?)
Datazione: Mitte/3. Viertel 12. Jh.
Segnatura precedente:
D.n. 96
Supporto materiale: Pergament
Dimensioni:
248 Seiten. Buchblock 122 Blätter.
Formato: 24 x 15
Numerazione delle pagine: Paginierung I.v.A., 1-248.
Composizione dei fascicoli: 14 IV3-226 + I230 + IV246. Nach p. 230b bzw. vor p. 231a und nach p. 246b wohl Text- bzw. Lagenverluste. Meist Reklamanten oder Spuren davon sichtbar am Lagenende unten rechts (Larrainzar, El borrador, S. 596–597, Anm. 7).
Condizione: Pergament, manchmal unregelmässige Blattränder, Risse p. 223/224 mit weissem und p. 77/78, 143/144 mit grünem Faden vernäht.
Disposizione della pagina:
Schriftraum zweispaltig, 16,5 x 10 (4,5), p. 195-226 16,5 x 11, 36 Zeilen, Blindlinierung, Zirkellöcher am Blattrand.
Tipo di scrittura e mani:
Frühgotische Minuskel italienischer Prägung der Mitte oder des 3. Viertels des 12. Jh., aufgrund des Inhalts wohl 1146 oder später (vgl. Larrainzar, El borrador S. 638–645), von mehreren Händen, in bisweilen handunabhängig variierender brauner und dunkelbrauner Tinte.
- Eine 1. Haupthand schreibt p. 3a–45a, Z. 21, vielleicht auch p. 45a, Z. 24–34, dann sicherlich wieder p. 47a–131a, Z. 29, p. 131b–135a, Z. 1 sowie den Einschub p. 208a, Z. 1– 10 und die roten Überschriften p. 3a–206b;
- eine 2. Haupthand p. 135a, Z. 1 – p. 203a, Z. 12 sowie sehr wahrscheinlich p. 228b–230a;
- wohl eine 3. Haupthand p. 203a, Z. 16 – p. 207b, 208a, Z. 11 – p. 228a und – weniger sorgfältig und regelmässig
- eine 4. Haupthand p. 232b–246b (p. 231a–232a möglicherweise auch von der 4. Haupthand).
Decorazione:
p. 3a rotes Incipit, p. 3a, 28b, 45a, ... 198b zu Beginn der 33 Causae sowie letztmals p. 203a jeweils eine 3–12-zeilige Initiale in Deckfarbenmalerei, rote Konturen des Feldes und des Buchstabens, mit gelber, dunkelgelber und blauer Füllung, dazu meist weisses Blatt- und Rankenwerk, machmal in Form von Tierinitialen wie Fisch (p. 72b, 171b), Vogel (p. 66b, 90a, 180b), Drache (p. 77a) und Schlange (118a), der folgende Textbeginn häufig in Majuskeln; p. 3a–203a bei den Capitula rote Überschriften (Inskriptionen, Summarien), gefolgt von jeweils einer 1–2-zeiligen roten Majuskel zu Textbeginn (vornotiert am Blattrand); p. 203a–246b teilweise und unregelmässig rote Überschriften (p. 203a–206b Inskriptionen, p. 232b–246b Inskriptionen und seltener Summarien) und 1–2-zeilige rote Majuskeln (p. 203a–218a, 232b–246), Paragraphenzeichen (nach Händen variierend gestaltet) in Texttinte; p. 3–201 Kopfzeile mit Angabe der Causa in Rot, wohl schon von einer der Marginalienhände korrigiert durch Rasur und in hell- und dunkelbrauner Tinte, nämlich C[ausa] II in C[ausa] I, ... C. 24 in C. 23, C. 25 in C. 27, C. 26 in C. 29, C. 27 in C. 30, ... C. 33 in C. 36. P. 90a ein federgezeichneter Kopf und ein Gesicht in roter Tinte.
Aggiunte: Zahlreiche Marginalien, darunter interne Verweise, Wiederholungen einzelner Worte und Hervorhebungen, angefügte Auctoritates und Dicta sowie Kommentare (Larrainzar, El borrador, S. 662–666), in frühgotischer Minuskel der Mitte bis 2. Hälfte des 12. Jh., meist von gleichem Niveau und von gleicher Sorgfalt wie der Haupttext, von verschiedenen Händen:
Korrekturen: Die ursprüngliche Unterteilung des Textes p. 3a–203a in 33 Causae wurde schon früh korrigiert in die später gebräuchliche Gliederung in 36 Causae und der ersten Causa vorangehende Distinctiones (vgl. Larrainzar, El borrador, S. 634–635, 653–662), indem im Text der ursprünglichen ersten Causa (p. 3a–28b) die Distinctiones als solche in den Marginalien gekennzeichnet (s. o. 3. Marginalienhand) und die Angaben in den Kopfzeilen durchgehend angeglichen wurden (s. o. Ausstattung). An einigen Stellen wurde der Text getilgt, nämlich p. 203a, Z.16– p. 203b, ca. Z. 13, p. 211a, Z. 1–3 (?), p. 223b, Z. 27 – p. 224a, ca. Z. 14, p. 230a, Z. 26 – p. 230b, Z. 6.
- 1. Marginalienhand, wohl identisch mit der 2. Haupthand, in brauner Tinte, die Einträge p. 3b, 19ab, 43b?, 46a, 66a, 68a, 106a, 118a, 134a?, 146a, 153b, 165ab, 166ab, 167b, 171ab, 172a, 178a, 187b, 188a, 199b, 231b;
- 2. Marginalienhand, in brauner Tinte, interne Verweise gemäss der ursprünglichen Zählung in 33 Causae, p. 35b, 90b, 111b, 112a, 115b, 126a, 141a (z. T.), 165b, 166a, möglicherweise, in der späteren Zählung in 36 Causae, auch p. 7a, 102a (p. 125a [4], 141a unklar) sowie vielleicht die Marginalie p. 46a;
- 3. Marginalienhand, in gräulicher und bräunlicher Tinte, Nummerierung der Distinctiones und interne Verweise gemäss der neueren, (später) üblichen Gliederung in 36 Causae und der ersten Causa vorangehende Distinctiones (s. u.), d. h. in einer zweiten Phase, p. 5a, 6a, 7b, 10a, 11a, 12b, 13a, 14a, 22a, 23a bzw. 32b, 50a, 62a, 65b, 68a, 69a, 73a, 74b, 75a, 76a, 79a, 84a, 89a, 100a, 123b, 125b, 134b, 142a, 144a sowie weitere, grössere Marginalien p. 4a, 22a, 35a, 36a, 69ab, 73ab, 113b, 123ab, 133b, 154a, 174b;
- 4. Marginalienhand, in dunkelbrauner Tinte, p. 15b, 20a, 109b, 136a;
- 5. Marginalienhand, in brauner und dunkelbrauner Tinte, p. 97b, 148b, 156b, 171ab Mitte, 171b unten, 173ab, 174a, 178ab, 180a, 187b unten;
- 6. Marginalienhand, in rotbrauner, z. T. blasser Tinte, p. 60a, 63b, 80b, 132a oben, 140ab–141ab, 178a oben, 238ab–239ab; wohl von weiteren Marginalienhänden in schwarzer Tinte die Nummerierungen der Distinctiones p. 3ab, 5b, 14a, 26b, 27a.
Korrekturen: Die ursprüngliche Unterteilung des Textes p. 3a–203a in 33 Causae wurde schon früh korrigiert in die später gebräuchliche Gliederung in 36 Causae und der ersten Causa vorangehende Distinctiones (vgl. Larrainzar, El borrador, S. 634–635, 653–662), indem im Text der ursprünglichen ersten Causa (p. 3a–28b) die Distinctiones als solche in den Marginalien gekennzeichnet (s. o. 3. Marginalienhand) und die Angaben in den Kopfzeilen durchgehend angeglichen wurden (s. o. Ausstattung). An einigen Stellen wurde der Text getilgt, nämlich p. 203a, Z.16– p. 203b, ca. Z. 13, p. 211a, Z. 1–3 (?), p. 223b, Z. 27 – p. 224a, ca. Z. 14, p. 230a, Z. 26 – p. 230b, Z. 6.
Legatura:
Einband des 16./17. Jh. Halbleder auf Holz (Buche), Lederbezug unregelmässig beschnitten. Streicheisenlinien und Rollenstempel mit doppeltem Rundbogenfries mit Blütenstauden. Vorderes Spiegel - und Vorsatzblatt (p. 1/2) sowie hinteres Spiegel - und Nachsatzblatt (p. 247/248) sind je ein papierenes Doppelblatt aus dem 17./18. Jh. (vor Katalogisierung Pius Kolb 1755). Papierene Falzverstärkungen der Lage p. 227–229. Nicht mehr verwendete Heftstellen einer früheren Heftung einschliesslich eines früheren Kapitalbundes sichtbar (z. B. p. 10/11, 18 etc.). Reste eines alten Heftfadens sichtbar unten am Falz der Lage p. 147–162. Wahrscheinlich ein gedrehter Pergamentstreifen (»tacket«) für eine erste bzw. provisorische Heftung der Lage noch vorhanden im Falz p. 170/171, ca. 6,5 cm von unten.
Contenuto:
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3-203a
Frühe Version des Decretum
- (3-203a) Texte, die Teilen von D. 27 c. 2– D. 101 d.p. c. 1 und C. 1 q. 1 c. 1 – C. 36 q. 2 d.p. c. 11 des Decretum Gratiani entsprechen, sowie dieser Fassung eigene Textstücke. >Incipiunt exserpta ex decretis sanctorum patrum< Laicvs quidam litteratus concubinam habebat; tandem ea dimissa ad subdiaconatum conuolauit. Deinde uxorem sibi asciuit …–… non pululant ceterę peccatorum soboles. 3 Leerzeilen.
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203a-246b
Patristische, kanonistische, homiletische und andere Exzerpte
- (203a-246b) Leg<...> [getilgt] …–… Non autem liceat comunicare cum excomunicatis neque per domos ingredi et cum eis orare qui ecclesierę in oratione// bricht ab, aber entsprechender Reklamant vorhanden. Darin (231a) oben unvermittelter Textbeginn //peccantium penitentium et non …
Origine del manoscritto: Gemäss der Schrift in Italien geschrieben. Aufgrund der Buchmalerei nach Bernasconi in den Regionen Romagna, Umbrien, Toskana oder, am ehesten, Emilia bzw. deren Zentrum Modena, entstanden.
Acquisizione del manoscritto:
In der St. Galler Klosterbibliothek spätestens seit 1461, da die Hs. dem Eintrag B 22 Excerpta ex decretis sanctorum patrum (vgl. das Incipit p. 3a) im Katalog von 1461 entspricht (Ed. MBK, S. 117, Z. 25). Stempel D. B. von 1553–1564 (p. 246). Papierenes Fragment, ca. 3 × 8 cm, zuvor zwischen p. 246 und p. 247 (?) eingeklebt, jetzt abgelöst und in einem Umschlag dem Codex beigegeben, beschrieben von Jodocus Metzler: Excerpta ex decretis sanctorum Patrum MS 169. Quidam laicus literatus (vgl. Incipit des Texts). Alte Signatur Pius Kolb p. 1: D.n. 266.
Bibliografia:
- Stelling-Michaud, Catalogue, S. 25, Nr. 6;
- Stickler, Iter Helveticum, S. 474–475;
- Marina Bernasconi Reusser, Considerazioni sulla datazione e attribuzione del Decretum Gratiani Cod. Sang. 673: un manuscritto di origine italiana in terra nordalpina, in: Franziska Schnoor, Karl Schmuki, Silvio Frigg (Hg.), Schaukasten Stiftsbibliothek St. Gallen. Abschiedsgabe für Stiftsbibliothekar Ernst Tremp, St. Gallen 2013, S. 142–147.
- Carlos Larrainzar, El borrador de la »Concordia« de Graciano: Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS 673 (= Sg), in: Ius ecclesiae 11 (1999), S. 593–666, hier bes. S. 596–597, 635–637, 645–648.
- Zu den »tackets« vgl. Szirmai, Carolingian Bindings, hier S. 162–163;
- Szirmai, Archaeology, S. 114–115.
- Szirmai, Dokumentation.
- Einl. S. XXI–XXII.