St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 717
Lenz Philipp / Ortelli Stefania, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 3: Abt. V: Codices 670-749: Iuridica; Kanonisches, römisches und germanisches Recht, Wiesbaden 2014, S. 207-209.
Manuscript title: Urkunden- und Formelsammlung
Date of origin: Ende 14. Jh./Beginn 15. Jh.
Former shelfmark:
D.n. 91
Support: Papier. Wasserzeichen (mindestens): Buchstabe R ähnlich Piccard-online 29143 (1373), 29115 (1389), 29111 (1394), 29118 (1394), Einhorn vom Typ Piccard, Bd. 10, Abt. III, Nr. 1361–1433.
Extent:
422 Seiten. Buchblock und Spiegelblätter 212 Blätter.
Format: 29,5–30 × 22
Foliation: Foliierung wohl von der Hand des Schreibers i–cxcviii; Paginierung I.v.A. 1–402, 402a, 402b, 403–422.
Collation:
(VII+2)32 + IX68 + 3 VI140 + 2 V180 + 2 XII276 + 3 VIII372 + (VIII+1)404 + (IV+1)422; p. 7/8 und 25/26 sind mindestens heute Einzelblätter, p. 402a/402b ist ein auf p. 403 geklebtes Einzelblatt, p. 415/416 ist ein Einzelblatt. Reklamanten am Lagenende unten rechts.
Condition: Papier, gelegentlich braune Flecken, p. 57/58 die untere Ecke herausgeschnitten, p. 402a/402b ist kleineren Formats (15 × 11).
Page layout:
Schriftraum einspaltig, 22,5–23 × 15–16, 33–38 Zeilen.
Writing and hands:
Jüngere gotische Buchkursive/Bastarda mit Schleifen, Ende 14. oder Beginn 15. Jh., in brauner Tinte, von mindestens 2 – wahrscheinlich deutschen – Händen:
Decoration:
Überschriften in etwas grösserer Schrift, diese p. 141–151 meistens mit vorangestelltem Paragraphenzeichen, zu Briefbeginn jeweils eine Initiale, meistens ausgespart und nicht geschrieben, manchmal Kopfzeile mit Inhaltsvermerk, p. 305 kleine federgezeichnete Burg.
Additions:
- Marginalien: selten Korrekturen und Inhaltsvermerke am Seitenrand von verschiedenen Händen.
- Nachträge: der Zettel p. 402a/402b, die Zusätze p. 406–407 unten, p. 408, p. 409 obere Hälfte ausser den ersten 3 Zeilen, p. 422 unten, vielleicht auch die restliche p. 422 sind in jüngerer gotischer Buchkursive/Bastarda mit Schleifen in bisweilen variierendem Duktus und variierender Tinte geschrieben und stammen möglicherweise alle oder mindestens zum Teil von Johannes Pfister.
Binding:
- Einband des 15./16. Jh. Graugrünes Leder (Wild) auf Pappe, Lederbezug stark beschädigt, der Rücken ist mit neuerem Leder (Schwein, Alaungerbung), verziert mit Streicheisenlinien, überzogen. 1 Ösenverschluss (Adler BV.2.1.1), erhalten sind Loch und Abdrucke eines Dorns mit Basisplatte (1b) auf dem Vorderdeckel, Rest von eingelassenem Lederriemen (BV.8d) und Rest bzw. verfärbter Abdruck eines Gegenblechs oder Ziernagels am Rand des Hinterdeckels. Zudem 4 Schleifenverschlüsse (Adler BV.1.2.1), sichtbar sind Ansätze der Lederbünde nahe am Ober-, Vorder- und Unterschnitt. Auf dem Hinterdeckel die Aufschrift Wydnbach. Heftung auf 3 erhabene doppelte Bünde. Einfach umwickelte Kapitale mit Einlage, die obere Kapitale vollständig, die untere teilweise beschädigt.
- Pergamentene Falzverstärkungen. Auf den Vorderdeckel und den Hinterdeckel ist je ein pergamentenes Blatt als vorderes (vor p. 1) und hinteres (nach p. 422) Spiegelblatt geklebt, auf Ersterem und p. 1 klebt ein Verstärkungsstreifen, auf Letzterem ein Papierstreifen. Auf dem hinteren Spiegelblatt steht ein Text zur Pfründenbesetzung in jüngerer gotischer Buchkursive/Bastarda mit Schleifen, möglicherweise von demselben Schreiber wie die Urkunde p. 422: Et ad acceptandam pro eo et eius nomine prebendam in dicta ecclesia vacantem ...–... et pro ipsa etc. Darunter von anderer Hand der Eintrag Protestatur etiam proc[urator?] quod de gravamine ad appellandum. Darunter das Wappen des Johannes Widembach.
Contents:
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1-402
Urkunden- und Formelsammlung
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(1-402)
>Processus de canonicatu et prebenda ac dignitate et beneficiis cedentis vel decedentis canonici … <
[R]everendo in Christo patri domino dei gratia … [!] episcopo et venerabili ac discretis viris, capitulo et singulis canonicis …–…
In cuius rei cessionem//
bricht am Seitenende ab.
Inhaltlich reichen die Musterurkunden und Formeln vom kirchlichen Benefizial- und Gerichtswesen über weltliche Geldgeschäfte (z. B. 294–297) und Verkäufe (z. B. eines Pferdes 307) bis zum Lehenswesen (z. B. 310–312) und zu Indulgenzen (z. B. 328–330). Gelegentlich sind kurze rechtliche Richtlinien z. B. (371) >De causis quibus parentes possunt exhereditare filios<, (372) >De causis quibus filii possunt exhereditare parentes< oder Überlegungen zu bestimmten Urkunden und Instruktionen zu ihrer Abfassung z. B. (274) >Quid sit exemplar et quid exemplum et qualiter et que fides adhibeatur<, (274–278) >Quomodo exemplatur aliena scriptura< überliefert. Die Sammlung enthält Musterurkunden aus verschiedenen Ländern; vgl. z. B. (5) episcopo Lexoviensi … domini Iohannis … pape XXII … , (298) … civis et mercator Florentinus de societate de Florencia …
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(1-402)
>Processus de canonicatu et prebenda ac dignitate et beneficiis cedentis vel decedentis canonici … <
[R]everendo in Christo patri domino dei gratia … [!] episcopo et venerabili ac discretis viris, capitulo et singulis canonicis …–…
In cuius rei cessionem//
bricht am Seitenende ab.
- 402a-b Anweisung zur Einsetzung eines Geistlichen in die Kirche Russikon (ZH). Item zuͦ dem ersten …–… und froͤlich sin etc.
- 403-420 Index, der nach den Tituli der Decretales Gregorii IX. geordnet ist und die Überschriften einiger Urkunden sowie die entsprechende Blattzahl in der Handschrift anzeigt. >Prohemium< Leere Zeilen. >De summa trinitate [X 1.1]< Leere Zeilen. >De constitutionibus [X 1.2]< Leere Zeilen. >De rescriptis [X 1.3]< Procuratorium ad impetrandum et contradicentum. 123. Super eodem ibidem …
- 420-421 Äusserst rudimentärer alphabetischer Index mit nur wenigen Einträgen. >A< De arrendationibus fructuum sub ti. de loca. [X 3.18; siehe (413) >De loca.<] …–… decedente preposito ibidem.
- Im frei gebliebenen Raum innerhalb der Indices und danach mehrere Einträge.
- (406-407 unten) Anweisungen zur Einsetzung in die mindere Pfründe der Kirche St. Fiden (SG). Notandum. Domine primissarie …–… personarum hic astantium.
- (407) Zu den Ablässen, die Papst Martin V. in zwei Bullen, bestätigt durch Papst Eugen IV. und das Basler Konzil 1432, dem Meister und den Rittern des Johanniterordens auf Rhodos aufgrund ihres Kampfes gegen die Ungläubigen gewährte. Nota bulla prima sanctissimi domini Martini pape quinti …–… terram sanctam Iherusalem.
- (409) Ebenso. Notandum. Item auctoritate secunde bulle domini Martini …–… sigillis appensis.
- (408) Über 20 Fälle geistlicher Verwandtschaft als Ehehindernis. >Notandum viginti casus in quibus cognatio spiritualis impedit et dirimit< 1. Inter baptizatum et levantem …–… c. ultimo et eodem titulo c. primo li. VI [Sext. 4.3.1, 3].
- (410) Eintrag zu einem Appellationsinstrument. Notandum et ego …
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(422)
- Urkunde zur Wahl des St. Galler Abts Heinrich von Gundelfingen (1411–1418) Sanctissimo in Christo …–… Ego Iohannes de Gossow filius laicus Rudolffi pisto<ris>.
- Notiz über eine Anekdote aus dem Leben Platos, die Johannes von Gossau 1412 einem Buch des Pfarrers von Herisau entnahm. Notandum. Plato. Iratus servum percuttere noluit …–… Iohannes de Gossow sic inveni notatum in quodam libro cuiusdam rectoris et plebani in Herisow ipsa die Iohannis evangeliste anno a die … [?] mccccxii quibus deo dante non ero immemor.
Origin of the manuscript: Gemäss den Nachträgen im Besitz von Johannes Pfister aus Gossau, Bürger von St. Gallen, kaiserlicher Notar, Kleriker des Bistums Konstanz, Steuerabrechner und Stadtammann in St. Gallen (1406–1407, 1409), Schreiber und Prokurator des Abts von St. Gallen (1412–1433) und Hofammann des Klosters (1419–1422).
Provenance of the manuscript: Danach laut der Aufschrift auf der äusseren Seite und dem Wappen auf der inneren Seite des Hinterdeckels im Besitz von Johannes Widembach († um 1456), Stadtschreiber in St. Gallen (1436–1450).
Acquisition of the manuscript:
In der Stiftsbibliothek spätestens seit 1553–1564, gemäss Stempel D. B. (p. 404). Alte Signatur Pius Kolb p. 1: D.n. 91. Inhaltsangaben von Ildefons von Arx auf dem vorderen Spiegelblatt, p. 402a und 406.
Bibliography:
- CMD-CH 3, S. 301.
- Hans Schmid, Die St. Galler Urkundensprache in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts, Zürich 1953, S. 23;
- Fechter, Zur Biographie;
- Schuler, Notare, Nr. 983, 1492.