Schlatt, Eisenbibliothek, Mss 20
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Gamper Rudolf / Marti Susan, Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Stadtbibliothek Schaffhausen, Zürich 1998, S. 42-50, 61-62, 155-158.
By courtesy of Urs Graf Verlag, Dietikon. The manuscript description is copyrighted by the publisher.
Manuscript title: Aristoteles-Albertus-Magnus-Handschrift
Place of origin: Italien
Date of origin: letztes Drittel des 13. Jahrhunderts
Alternative name:
Klostergut Paradies,
Eisenbibliothek,
Mss 20
Support: Pergament
Extent:
100 Blätter
Format: 23,5 x 17,5 cm
Foliation: Ältere Foliierung 1-100, 15.-16. Jh.
Collation: Lagen: 4 IV32; VI44 + V54 + 2 VI78 + I80; VIII96 + II100. Spätere Lagenzählung i-xi. Im 2. Teil Reklamanten und zeitgenössische Lagenzählung am Lagenanfang i-iiii mit Stift sowie Zählung der Blätter in der ersten Lagenhälfte mit Buchstaben (ab 33r a, b, c, […] , ab 45r g, h, […] , je in der oberen rechten Ecke, die dritte und vierte Lage verwechselt (ab 55r s, t […] , ab 64r m, n […] ).
Condition:
Bl. 17 Pergamentstück am unteren Rand weggeschnitten. Aus drei Teilen zusammengesetzt.
Binding:
Dunkelbrauner Ledereinband, 15. Jh. Doppelter Rahmen aus Rauten eingeschnitten. Kapitale mit Lederflechtwerk. Ehemals 2 nach hinten greifende Langriemenschliessen. Älteres kleines Titel- oder Signaturschild teilweise verdeckt vom neueren Titelschild aus Pergament mit Inhaltsangabe De secretis secretorum Aristotilis, idem de pomo cum […] , idem de coloribus simplicibus, idem de motu animalium (?), idem phisionomia, idem de bona fortuna, idem de lineis indivi[sibilibus], idem de mineralibus lapidibus […] [abgerissen], idem de inundatione Nili, Liber de natura locorum ex longitudine et latitu[dine], idem liber sine titulo, 15. Jh.
Accompanying materials:
Spiegelblatt vorn Fragment einer
Pergamenturkunde, 15. Jh., in der ein Johannes Boudnerym, et dicte cuius maiori Dalphinali Grysivedam (?) iurato imperiali […]
genannt sind. Spiegelblatt hinten Lektionarfragment, 13.-14. Jh. Rest des Vorsatzblatts hinten Urkundenfragment, 15. Jh., nur Stück von 3 Zeilen erhalten.
Provenance of the manuscript:
1r am unteren Rand
Prosper Babbus, 15.-16. Jh., vielleicht von der gleichen Feder am oberen Rand 70.
Acquisition of the manuscript:
1949 von der Eisenbibliothek im Buchhandel erworben.
General description:
Die Eisenbibliothek im ehemaligen Kloster Paradies, dreieinhalb Kilometer rheinaufwärts von Schaffhausen gelegen, wurde Ende 1948 als Stiftung der Georg Fischer AG gegründet. Diese traditionsreiche Firma hat durch die Eisen- und Stahlverarbeitung Bedeutung erlangt. Die Eisenbibliothek sammelt aktuelle und historische Literatur zur Eisengewinnung und -verarbeitung. (Note: 226. Clemens Moser, 40 Jahre Eisenbibliothek, in: Schaffhauser Mappe 1988, S. 9.
) Im Gründungsjahr 1949 wurde eine Sammelhandschrift aus dem 13. Jahrhundert erworben, die das Werk 'De mineralibus' von Albertus Magnus enthält. Es ist die einzige mittelalterliche Handschrift in der Eisenbibliothek. Sie trägt die Signatur Mss 20 und besteht aus drei Teilen. Der erste Teil enthält aristotelische und pseudo-aristotelische Werke in lateinischen Übersetzungen des 13. Jahrhunderts ('versio recentior'), im zweiten Teil folgt auf 'De mineralibus' 'De natura loci' von Albertus Magnus, und im dritten Teil stehen verschiedene Kommentare: derjenige von Michael Scotus zum Werk von Johannes de Sacrobosco über die Himmelssphären, ein anonymer Kommentar zur Arithmetik des Boethius und derjenige von Averroes zu 'De longitudine et brevitate vitae' von Aristoteles.
Die Texte sind gut erschlossen. (Note: 227. Bernhard Geyer, Eine unbekannte Albertus-Magnus-Handschrift in der Eisenbibliothek zu Schaffhausen, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 3 (1953), S. 241–144; weitere Literatur ist in der Beschreibung (unten S. 155–158) zusammengestellt.) Der reiche Buchschmuck der Handschrift dagegen wurde bisher kaum beachtet. Dies ist umso erstaunlicher, als das Werk zu den qualitativ hochstehenden Stücken der italienischen profanen Buchproduktion aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts und zu den frühen illuminierten Aristoteleshandschriften zählt und in den historisierten Initialen ikonographisch originelle Lösungen bringt. Der Sammelband ist kodikologisch komplexer als die übrigen in diesem Katalog beschriebenen Kodizes. Auf den 100 Blättern sind mindestens vier Schreiber, zwei Rubrikatoren und mindestens zwei Buchmaler zu unterscheiden.
Die drei Teile sind selbständig, aber nicht unabhängig voneinander entstanden; der zweite und der dritte Teil wurden vor dem ersten geschrieben. Im zweiten Teil sind die Blätter mit Stift für 44 Zeilen in zwei Spalten liniiert, von einer Hand in einem Arbeitsgang niedergeschrieben und die Lagen mit einer nicht mehr vollständig sichtbaren Zählung mit Stift von i bis iiii versehen. Durch eine weitere Zählung wurde die Reihenfolge der Blätter innerhalb der Lagen festgehalten, indem in der ersten Hälfte der Lagen jedes Blatt mit einem Buchstaben bezeichnet wurde, in der ersten Lage von a bis f, in der zweiten von g bis l. Die dritte und die vierte Lage wurden bei dieser Zählung verwechselt, so dass die dritte Lage mit s beginnt und die vierte mit m. Diese Zählungen sind ein deutliches Indiz dafür, dass die vier Lagen des zweiten Teils anfänglich selbständig aufbewahrt wurden. Der dritte Teil ist mit Stift für 49 Zeilen liniiert und von einer anderen Hand geschrieben. Hier sind die drei-, gelegentlich bis siebenzeiligen Lombarden in Weiss auf eine rechteckige Fläche in Blau oder Ocker eingesetzt und mit Fleuronné verziert. Zwei kurze Werke auf den letzten beiden Blättern dieses Teils sind später geschrieben, wohl von der gleichen Hand, und nur mit einfachen roten und blauen Lombarden ausgestattet. Ganz uneinheitlich ist die Einrichtung der Seiten im zuletzt entstandenen ersten Teil. Am Anfang lassen sich gar keine Linien feststellen (Note: 228. Die erste Lage besteht aus anderem Pergament (Kalb?) als die übrigen (Ziege?).), weiter hinten erkennt man Blind- und Stiftlinien. Die Zeilenzahl schwankt beträchtlich zwischen 35 und 55. Hier ändert die Tintenfarbe gelegentlich beim Übergang von einem Werk zum nächsten. Man kann mindestens zwei Schreiber unterscheiden.
Es ist wenig wahrscheinlich, dass das Kompendium mit all den Werken, die heute in der Sammelhandschrift vereinigt sind, von Anfang an in dieser Form und mit dieser Ausstattung geplant war; die Teile sind aber auch nicht unabhängig voneinander entstanden und erst in späterer Zeit zu einem Sammelband vereinigt worden. Der zweite Teil mit den beiden Werken von Albertus Magnus und der dritte Teil mit den Werken von Michael Scotus und anderen Autoren waren bereits geschrieben, als die Arbeit am ersten Teil aufgenommen wurde. Diese Abfolge der Arbeiten ergibt sich aus den Rubriken und dem Buchschmuck. Die Hand des ersten Rubrikators des ersten Teils findet man ganz am Ende des dritten Teils wieder. Der Rubrikator ergänzte beim dritten Teil nur die Überschriften am Ende der Handschrift, war also nur am Schluss beteiligt, während er beim ersten Teil von Anfang an — und offenbar in leitender Stellung — an der Gestaltung der Handschrift mitwirkte. (Note: 229. Darauf weist die Beurteilung der Autorschaft in einer Rubrik durch den Rubrikator hin. S. oben, S. 43 mit Anm. 232.) Im Buchschmuck fällt der grosse Unterschied zwischen den ersten beiden und dem letzten Teil auf. Im letzten Teil beginnen die ersten zwei Werke mit meistens dreizeiligen Lombarden. Im zweiten Teil wurde Platz für Lombarden der gleichen Grösse ausgespart. Anstelle der Lombarden wurden aber ornamentale Initialen mit Ausläufern eingesetzt, für die der ausgesparte Platz zu eng war, was auf eine Änderung in der geplanten Ausstattung hindeutet. Gleichartige und von den gleichen Künstlern ausgeführte Initialen stehen auch im ersten Teil. Hier wurde genügend Platz freigelassen: Die Initialen sind sechs bis zwölf Zeilen hoch.
Aus diesen Befunden lässt sich der Arbeitsablauf rekonstruieren; es ergibt sich aber kein klares Bild des Ateliers, in dem die Handschrift hergestellt wurde. Fest steht nicht einmal, dass alle drei Teile am gleichen Ort geschrieben wurden. (Note: 230. Es ist anzunehmen, dass die drei Teile in der gleichen Werkstatt geschrieben wurden, beweisen lässt sich dies aber nicht.) Sicher ist aber, dass sie am gleichen Ort fertiggestellt wurden und dass in dieser Werkstatt professionell arbeitende Fachkräfte zusammenwirkten. Dies kann in einer weltlichen oder einer klösterlichen Werkstatt geschehen sein — wir wissen nur, dass ein frater Guifredus als Schreiber mitarbeitete. Die Mitarbeit dieses Fraters allein reicht aber nicht aus, um die Entstehung in einem Kloster anzunehmen.
In der Sammelhandschrift sind Texte vereinigt, die im mittleren Drittel des 13. Jahrhunderts entstanden oder durch Übersetzungen zugänglich gemacht wurden. Die jüngsten stammen aus den 1250er Jahren, so der Prolog, den König Manfred von Sizilien, der Sohn Kaiser Friedrichs II., zum 'Liber de pomo' verfasste, die Übersetzung des Aristoteles zugeschriebenen Werks über die Physiognomie und das geographische Werk des Albertus Magnus. Sie geben den neuesten Stand des damaligen Wissens wieder. Es waren bedeutende Werke; sie wurden noch bis ins 15. Jahrhundert vielfach abgeschrieben und kamen in der Frühzeit des Buchdrucks in verschiedenen Ausgaben auf den Markt. (Note: 231. Die Inkunabeldrucke der Werke von Albertus Magnus und Aristoteles sind im GW nachgewiesen: Albertus Magnus, De mineralibus, GW 686–689 (Padua 1476, Pavia 1491, Venedig 1495, Köln 1499); Werkausgaben des Aristoteles mit den gleichen Schriften wie Mss 20: GW 2436 (Venedig 1482), GW 2441 (Venedig 1496); Pseudo- Aristoteles, De secreto secretorum, GW 2481–2484 (Köln um 1472, Löwen um 1485, Antwerpen um 1488). Andere Werke wie Albertus Magnus, De natura loci, fanden im 16. Jahrhundert stärkere Beachtung.) Man kann Texte naturwissenschaftlichen und ethischen Inhalts unterscheiden. Die Naturwissenschaft, die mit Albertus Magnus und Michael Scotus vertreten ist, liefert eine Beschreibung der Welt, der Stoffe, aus der sie besteht in 'De mineralibus', der Geographie in 'De natura loci' und des Kosmos im Kommentar des Michael Scotus über die Himmelssphären. Dazu kommen Abhandlungen zur Mathematik und — in den aristotelischen und pseudo-aristotelischen kleinen Schriften Eisenbibliothek, Mss 20, italienisch, letztes Drittel des 13. Jahrhunderts, 1ra Dedikationsszene. Der kniende Übersetzer Philippus übergibt dem Bischof von Tripolis vor den Augen von Alexander dem Grossen das 'Secretum secretorum ', ein Werk über das richtige Regieren. — zu Fragen des menschlichen Lebens mit 'De physiognomia ' über das Aussehen und die Wesenserkundung der Menschen, 'De bona fortuna' über das Glück, 'Secretum secretorum' über das Herrschen und 'De pomo' über das Sterben.
Von all diesen kleinen Schriften ist die neue Übersetzung (die 'versio recentior') kopiert. Beim 'Secretum secretorum' war dem ersten Rubrikator der Umfang der Schrift nicht klar. Er schrieb nach dem vierten Buch: Incipit 5us liber de secretis Aristotilis secundum quosdam, quod non credo [Hier beginnt nach der Meinung einiger das fünfte Buch des 'Secretum secretorum' des Aristoteles, was ich nicht glaube]. (Note: 232. Eisenbibliothek, Mss 20, 14vb.) Er zählte — zu Recht — den in der Handschrift hier folgenden anonymen Text über die Planeten nicht als fünftes Kapitel zum 'Secretum secretorum'. Einige Seiten weiter hinten schrieb er beim Prolog von König Manfred zum 'Liber de pomo', der am Ende des Textes nachgetragen ist: Pones istum prologum ad tercium folium retro [Du plazierst diesen Prolog drei Blätter weiter vorn]. (Note: 233. Eisenbibliothek, Mss 20, 17va.) Als Verweiszeichen ist eine Hand skizziert, deren Entsprechung sich tatsächlich an der angegebenen Stelle am Anfang des Textes findet. Ähnlich wird der Text des fünften Kapitels des 'Secretum secretorum' nachgetragen, wozu der zweite Rubrikator bemerkt: Incipit liber 5us de secretis secretorum Aristotilis et vadis ad tale signum in 4o folio superius [Hier beginnt das fünfte Buch des 'Secretum secretorum' des Aristoteles, und du gehst zum gleichen Zeichen auf dem vierten Blatt oben]. (Note: 234. Eisenbibliothek, Mss 20, 17vb.) Die genaue Stelle ist dort mit einem Fuss bezeichnet. An den durch Hand- und Fusszeichen markierten Textsprüngen erkennt man, dass keine fertige Sammlung kopiert, sondern eine neue Zusammenstellung aus verschiedenen Vorlagen angefertigt wurde.
Die aristotelischen und pseudo-aristotelischen Schriften bilden den ersten Teil der Handschrift, der zuletzt hergestellt und viel reicher als die übrigen Teile illuminiert wurde. Die meisten grösseren Textabschnitte beginnen mit einer Deckfarbeninitiale — auf nur 32 Blättern finden sich hier 16 Initialen. Im ganzen enthält die Handschrift zwölf historisierte Initialen auf Goldgrund, eine autonome Randzeichnung, sechs ornamentale Initialen auf Goldgrund und Zierstäbe auf verschiedenen Seiten. Im zweiten Teil sind nur die Anfänge der beiden Werke von Albertus Magnus entsprechend ausgezeichnet, im dritten Teil fehlt dieser Schmuck gänzlich. Die ungleiche Verteilung ist vielleicht dem Inhalt und dem Gewicht der Texte, deren Wertschätzung am königlich-sizilianischen Hof bekannt war, zuzuschreiben, vielleicht ist es der reicheren Ausstattung einer der Vorlagen zu verdanken, dass das Niveau des Buchschmuckes in der letzten Phase der Herstellung der Sammelhandschrift stark angehoben wurde.
Ein Schwerpunkt des Bildprogrammes sind die sieben historisierten Initialen zum ersten Werk in der Handschrift, dem pseudo-aristotelischen 'Secretum secretorum'. Dieser Text wurde im Laufe des 10. Jahrhunderts in Syrien zusammengestellt, in Umfang und Zusammensetzung mehrfach verändert und im 12. und 13. Jahrhundert in mehreren Anläufen aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. Der reichen handschriftlichen Überlieferung nach gehörte er im Mittelalter zu den beliebten und verbreiteten Texten. Wie ein Fürstenspiegel befasst er sich im Kern mit der Frage des richtigen Regierens und enthält für einen guten Herrscher nützliche Ergänzungen zu astrologischen, naturkundlichen, alchemistischen, medizinischen und physiognomischen Fragen. Er ist ein Zeugnis für die Rezeption antiker griechischer und mittelalterlicher arabischer Philosophie und Naturwissenschaften in Spanien und Süditalien; in seiner komplizierten Übersetzungsgeschichte spiegeln sich die vielfältigen kulturellen Beziehungen im Mittelmeerraum. Eine Teilübersetzung muss vor 1235 in Süditalien verfügbar gewesen sein, denn Michael Scotus, der in diesem Jahr starb, kannte den Text. (Note: 235. Steven J. Williams, Prima diffusione dello pseudo-aristotelico «Secretum Secretorum» in Occidente: corte papale e corte imperiale, in: Pierre Toubert / Agostino Paravicini Bagliani (Hrsg.), Federico II e le scienze, Palermo 1994, S. 459–474, v. a. S. 463.)
Im häufig mitüberlieferten Prolog heisst es, ein okzitanischer Geistlicher, Philippus Tripolitanus, habe auf Geheiss des Guido Vere von Valencia, eines Bischofs von Tripolis, das 'Secretum secretorum' aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. (Note: 236. Ob dies historische oder fiktive Personen sind, ist unklar. Sie konnten bisher jedenfalls nicht eindeutig identifiziert werden; s. Reinhold Möller (Hrsg.), Hiltgart von Hürnheim. Mittelhochdeutsche Prosaübersetzung des «Secretum Secretorum» (Deutsche Texte des Mittelalters, 56), Berlin 1963, Einleitung S. LX und M.-Th. d'Alverny, Conclusion, in: W. F. Ryan, Charles B. Schmitt (Hrsg.), Pseudo-Aristotle The Secret of Secrets. Sources and Influences (Warburg Institute Surveys, 9), London 1982, S. 132–140, hier S. 136.) Die Urfassung, berichtet Philippus, habe Aristoteles auf die Bitte von Alexander d. Gr. in Griechisch verfasst. Darauf sei das Buch ins Syrische und ins Arabische übertragen worden. Die Initiale auf der ersten Seite der Handschrift zu Beginn dieses Prologes zeigt eine Dedikationsszene (Abbildung S. 43): Links thront ein Bischof in vollem Ornat; über der orangen Tunika trägt er eine dunkelblaue Kasel, das Pallium und die Mitra. Er wendet sich mit erhobenen Händen dem vor ihm knienden Mann mit Tonsur zu, der ihm eine geöffnete Rolle hinhält. Rechts neben den beiden steht ein König mit einem dunkelblauen, pelzverbrämten Mantel. Der Prologerzählung folgend ist hier Philippus dargestellt, der dem Bischof von Tripolis seine Übersetzung überreicht. Der abgebildete König ist wohl Alexander d. Gr., der als geistiger Urheber des Werkes gilt, da er Aristoteles um dessen Abfassung gebeten hatte. Die auf der nächsten Seite folgende Initiale illustriert die Entstehungsumstände genauer (Abbildung oben). Sie zeigt einen sitzenden alten Mann mit Vollbart und grauen Haaren, der einem vor ihm niederknienden jüngeren Mann ein kleines Buch überreicht. In der anderen Hand hält er eine Tafel. Gemäss der fiktiven literarischen Tradition hatte Alexander d. Gr. seinen Lehrer Aristoteles um einen Besuch in Alexandria gebeten. Dieser kam der Bitte jedoch nicht nach und legte in einem an den König gerichteten Brief dar, dass er für eine solche Reise zu alt und zu schwach sei. An Stelle der persönlichen Unterweisung schicke er ihm ein Buch, in welchem er ihm die wichtigsten Ratschläge gebe, so klar und deutlich, wie wenn er selbst anwesend wäre. Die Miniatur zeigt also die Übergabe des Buches an einen Boten. Die Tafel, die Aristoteles in der Hand hält, ist nach ihrer Beschriftung das visuelle Zeichen für den mitgegebenen Begleitbrief an den König. (Note: 237. Die ursprüngliche Beschriftung ist nur teilweise zu entziffern: O FI[L?]I CAR[I?]S[S?]IME. Der Satz ist als Anrede formuliert.) Die dritte Initiale schliesslich illustriert erstmals den eigentlichen Inhalt des Werkes (Abbildung links unten). Sie leitet das erste Buch ein, das von den Eigenschaften eines guten Herrschers handelt, und zeigt in der Mitte Alexander d. Gr. mit Krone und einem auf der rechten Schulter von einer Fibel zusammengehaltenen Mantel. Neben ihm stehen zwei Figurengruppen, links drei Krieger in voller Rüstung und rechts drei ältere, vornehm gekleidete Männer. Im Text heisst es hier, ein König müsse sich auf zweierlei Hilfen verlassen können, auf die Stärke der Männer, die sein Königreich schützen, und auf die Weisheit guter Ratschläge. (Note: 238. Die im folgenden beschriebene Maxime, ein König habe durch Milde und Freigebigkeit dafür zu sorgen, dass ihm seine Untertanen gehorsam seien, ist möglicherweise durch die Gestik des Königs und seines Gegenübers wiedergegeben: Alexander hat die Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger erhoben, der andere hält sie gesenkt.) Diese beiden Hilfen dürften in den Figuren personifiziert sein: Krieger wie weise Männer braucht ein guter König.
Im zweiten Buch des 'Secretum secretorum' referiert Aristoteles astrologisches Grundwissen und erteilt dem König den Rat, nichts zu unternehmen, ohne vorher einen kundigen Sterndeuter zu konsultieren. Die Miniatur zeigt demgemäss Aristoteles als Astronom (Abbildung rechts). In den Händen hält er das Astrolabium, ein astronomisches Mess- und Beobachtungsgerät, das gleichzeitig als Sternenuhr diente. Deutlich erkennbar ist die senkrechte Aufhängevorrichtung des Gerätes und das durch einen Zapfen in der Mitte drehbare Diopterlineal vor der Scheibe. Der Rundung der O-Initiale folgt ein schmaler, dunkler Firmamentstreifen; zahlreiche kleine Sterne, die Mondsichel und eine leuchtend rote Sonne sind darauf erkennbar.
Die folgenden Abschnitte werden ebenfalls mit einer den Inhalt illustrierenden Darstellung eingeleitet: Im dritten Buch erläutert Aristoteles die Eigenschaften, Qualitäten und Kräfte von Pflanzen und Steinen. Die Initiale zeigt den Philosophen, der sich zu einigen kleinen, hellgrünen Pflanzen hinunterbückt (Abbildung rechts). Unspezifischer ist die Figur mit Zeigegestus in der Initiale zu Beginn des vierten Buches. Der Text handelt von einem abstrakten Thema, der Seele, dem Vorstellungs- und Erkenntnisvermögen. (Note: 239. In der mittelhochdeutschen Übersetzung der Hiltgart von Hürnheim ist der entsprechende Abschnitt mit «Ain hail der seele» betitelt; s. Edition von Möller (wie Anm. 236), Cap. 75, S. 156.) Diese Begriffe sind schwierig in ein anschauliches Bild zu übersetzen; die Figur mit den beiden zeigenden Händen bezeichnet daher einfach den lehrenden Philosophen (Abbildung rechts).
Dem 'Secretum secretorum' angefügt sind zwei kurze, ebenfalls pseudo-aristotelische Werke, die häufig zusammen mit diesem überliefert wurden, das Buch über die Planeten ('Liber de planetis ') und das Buch vom Apfel ('Liber de pomo'). Die astrologische Schrift zeigt in der Initiale einen blau gekleideten, hellhaarigen und bärtigen Mann, der mit beiden Händen zu der Darstellung in der oberen Schlaufe weist. Dort ist die Sphäre mit den Himmelskörpern abgebildet. Die Planeten und die Sonne sind als kleine weisse resp. rote Punkte eingezeichnet, die auf weissen Bahnen um die Erde kreisen (Abbildung rechts). Das Buch vom Apfel enthält den Sterbe- Dialog des Aristoteles mit seinen Schülern über den hohen Wert der Philosophie als Weg zum ewigen Heil. (Note: 240. Englische Übersetzung: The Apple or Aristotle's Death (De Pomo sive De Morte Aristotilis), transl. and with introduction by Mary F. Rousseau (Mediaeval Philosophical Texts in Translations, 18), Milwaukee 1968. Ob der Platons «Phaidon» nachgebildete Text auf einem griechischen Original beruht, ist unklar. Jedenfalls zirkulierten seit dem 10. Jahrhundert arabische Versionen, deren eine um 1235 ins Hebräische und darauf um 1255 am Hof von Manfred in Sizilien aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt wurde.) Seinen Titel erhielt der Dialog von einem Apfel, den Aristoteles während des ganzen Gesprächs in den Händen hält und aus dessen lebenserhaltendem Wohlgeruch er jeweils neue Kräfte schöpft. Die Initiale zeigt den alten, schwachen Mann unter einer blauen Decke mit weissem Fehbesatz ruhend, den Kopf auf einem Kissen (Abbildung links). In der erhobenen Hand hält er gut sichtbar die rote Frucht. Hinter dem Bett stehen drei Nachfolger und Schüler in antiker Gewandung und mit orientalischen Hüten, ihre Gestik und Mimik drückt die Beteiligung am Dialog aus.
Ab der dritten Lage lockert sich die Dichte des figürlichen Bildprogrammes; einige Abschnitte sind nurmehr mit ornamentalen Initialen gekennzeichnet. Wo historisierte Initialen vorkommen, sind sie aber wie bisher genau auf den Inhalt des Textes abgestimmt. So zeigt die kleine, physikalisch-philosophische Schrift von Aristoteles über die unteilbaren Linien ('De lineis indivisibilibus') den Philosophen mit je einer langen, weissen Stange in beiden Händen, den Linien, deren Teilbarkeit in Punkte der Text erörtert (Abbildung S. 47, Mitte). Das ebenfalls aristotelische Werk über das Glück ('De bona fortuna') beginnt mit dem Rad der Fortuna (Abbildung S. 47, oben). Obenauf thront ein blau gekleideter, gekrönter Mann; in seiner Linken hält er einen grünen Zweig, mit der Rechten weist er zum Textbeginn hinüber. (Note: 241. Die Figur ist wohl als Aristoteles zu interpretieren. Sie gleicht dem Philosophen auf den anderen Miniaturen und hält, wie bei der Initiale zu «De motu animalium», einen grünen Wedel in der Hand.) Drei etwas kleinere, jeweils in knielange Röcke gekleidete Figuren klammern sich mit beiden Armen an der Rundung des Rades fest: derjenige rechts — fallend — mit dem Kopf nach unten, derjenige unten horizontal liegend, derjenige links mit dem Kopf nach oben. Das Festklammern der vom Schicksal bewegten Figuren ist deutlich wiedergegeben: Sie fassen je mit einer Hand von hinten und einer von vorne um den äusseren roten Ring. Die Szene entspricht dem gängigen Schema mittelalterlicher Glücksraddarstellungen; Fortuna selbst als Schicksalsgöttin, die häufig auf der Nabe des Rades sitzt oder dieses von aussen her bewegt, ist nicht dargestellt. Das kleine aristotelische Werk zu den Bewegungen der Tiere ('De motu animalium') zeigt im Binnenfeld der Initiale wiederum den Philosophen, diesmal mit drei Tieren, einem hellgrauen Vierbeiner, wohl ein Hund, einem grossen weissen Vogel, der Eier ausbrütet (möglicherweise eine Gans), und einer dicken blaugrauen Schlange. Aristoteles thematisiert in diesem Werk das Problem der Selbstbewegung aller Lebewesen aufgrund des Zusammenspieles seelischer und körperlicher Vorgänge. Im einleitenden Kapitel heisst es: Jetzt dagegen soll eine allgemeine Untersuchung über die gemeinsame Ursache der Bewegung, welcher Art sie auch immer ist — denn die Lebewesen bewegen sich teils durch Fliegen, teils durch Schwimmen, teils durch Gehen und teils auf entsprechende Arten —, durchgeführt werden. (Note: 242. Zitiert nach der deutschen Übersetzung von Jutta Kollesch, Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 17: Zoologische Schriften II, Teil II/III, Darmstadt 1985, S. 9.) Der Text erörtert, wie das Zitat zeigt, allgemeine Fragestellungen. Für die Illustration wurde das konkreteste Thema herausgegriffen, die eher nebenbei erwähnten Beispiele von unterschiedlichen Fortbewegungsarten der Lebewesen: das Gehen des Vierbeiners, das Fliegen des Vogels und das Kriechen der Schlange (Abbildung unten).
Das Bildprogramm der Handschrift legt den Schwerpunkt auf die Texte ethischen Inhalts. Für die Bebilderung dieser im lateinischen Westen zum Teil erst seit kurzem bekannten Texte bestand, im Gegensatz zu liturgischen Handschriften etwa, keine etablierte Tradition, an der die Illuminatorenwerkstatt sich hätte orientieren können. Das Illustrationskonzept und die Gestaltung der einzelnen Szenen mussten neu entwickelt werden. Wie dieser Prozess im Detail ablief, ist unklar. Vermutlich erhielten die Maler vom Rubrikator oder einem der Schreiber detaillierte Anweisungen, denn die meisten Miniaturen sind genau auf die entsprechenden Textinhalte bezogen. Die Frage, ob den Illuminatoren allenfalls für einzelne Teile eine ähnlich reich illustrierte Vorlage zum Kopieren zur Verfügung stand, ist offen. Die Unsicherheiten über den Umfang und die Reihenfolge der zu kopierenden Texte erklären sich allerdings am besten damit, dass der Text und die Bilder — falls überhaupt mit illustrierten Textvorlagen gearbeitet wurde — aus verschiedenen Handschriften zusammengestellt wurden. Reich illuminierte 'Secretum secretorum'-Kompendien waren im 13. Jahrhundert allem Anschein nach selten. (Note: 243. Die Illustrierung pseudo-aristotelischer Handschriften des 13. Jahrhunderts ist kaum erforscht. Während die Überlieferungs- und Übersetzungsgeschichte des «Secretum secretorum» vielfach behandelt wird, fehlen kunsthistorische Untersuchungen gänzlich. Etwas besser ist die Situation bezüglich der Bebilderung echter aristotelischer Schriften, vgl. Michael Camille, The Discourse of Images in Philosophical Manuscripts of the Late Middle Ages: Aristoteles illuminatus, in: Atti. I luoghi dove si accumulano i segni… Atti del convegno di studio della Fondazione Ezio Franceschini e della Fondazione IBM Italia, Certosa del Galluzzo 20–21 ott. 1995, Spoleto 1997, S. 93–110. Eine illustrierte Aristoteles-Handschrift aus England ist ausführlich publiziert (Michael Camille, Illustrations in Harley MS 3487 and the Perception of Aristotle's Libri naturales in Thirteenth-Century England, in: England in the Thirteenth Century. Proceedings of the 1984 Harlaxton Symposium, ed. by W. M. Omrod, Harlaxton College 1985, S. 31–43). Benutzer und Auftraggeber dieses Werkes war vermutlich ein Gelehrter der Universität Oxford, möglicherweise ein Franziskaner. Die ikonographische Hauptquelle scheinen hier religiöse Handschriften, hauptsächlich die Bibel und der Psalter, gewesen zu sein. Die Arbeit von Sherman befasst sich nur mit dem 14. Jahrhundert (Claire Richter Sherman, Imaging Aristotle. Verbal and Visual Representation in Fourteenth-Century France, Berkeley 1995).) Eine italienische Übersetzung dieses Werkes wurde Ende des 13. Jahrhunderts in der Toskana mit nur einem Medaillon und vier historisierten Initialen verziert. (Note: 244. Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. italien 917; François Avril, Marie-Therèse Gousset, Manuscrits enluminés d'origine italienne. Vol. 2: XIIIe siècle, Paris 1984, S. 126f. und Taf. LXXXII. Das Medaillon zeigt den Kreis der Gerechtigkeit nach Aristoteles, die Initialen zwei Autoren- oder Übersetzerporträts, die Übergabe des Buches an Alexander d. Gr. und, zum «Liber de pomo», den sterbenden Aristoteles. Zwei reich illuminierte Handschriften des «Secretum secretorum» wurden um 1326/27 für den jungen englischen König Edward III. hergestellt, eine lateinisch (London, British Library, Ms. Add. 47680), eine zweite französisch (Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. français 571); s. Lucy Sandler Freeman, Gothic manuscripts. 1285–1385 (A Survey of Manuscripts Illuminated in the British Isles), London 1986, Nr. 85, S. 93f. und Nr. 96, S. 103 bis 105 und Michael A. Michael, A Manuscript Wedding Gift from Philippa of Hainault to Edward III, in: The Burlington Magazine (1985), S. 582 bis 599. Volkssprachliche illustrierte Secretum-Handschriften waren demnach angemessene Geschenke für angehende Herrscher.) Illustrierte Handschriften mit aristotelischen Texten waren im 13. Jahrhundert etwas verbreiteter; (Note: 245. Branner, Manuscript Painting, listet im Register einige Werke auf.) ihr Bildprogramm beruht aber selten auf genauer Kenntnis der Textinhalte, sondern zeigt ein Autorenporträt oder sakrale Themen. (Note: 246. Dies gilt für die Pariser Buchmalerei, für andere Regionen fehlen meines Wissens entsprechende Forschungsresultate, s. Branner, Manuscript Painting, S. 125, Anm. 27.)
Auch die Illuminatoren des Mss 20 haben, wo immer möglich, tradierte Bildformulare aus der sakralen und profanen Malerei, z. B. der Epenillustration, übernommen. Gängige Bildschemata mussten nur geringfügig angepasst werden, wie unter anderen die Initiale mit dem Rad der Fortuna oder die Dedikationsminiatur zeigen. Stand keine geeignete Vorlage zur Verfügung, wurden die Bilder offenbar in enger Anlehnung an den Text neu entworfen, so die Szene bei 'De motu animalium'. Sie lässt sich ebensowenig in einen anderen Kontext übertragen wie die in ihrer Einfachheit originelle Darstellung des Aristoteles mit den Linien.
Stilistische Unterschiede geben Hinweise auf die Anzahl der an der Ausmalung beteiligten Künstler und ihre Zusammenarbeit. Die Figurenbildung und die Farbigkeit aller Initialen ist einheitlich. Ein warmes Orange, Blau und Grau sind die dominanten Farben auf den Goldgründen der Binnenfelder, stärker mit Weiss gebrochene Töne wie Blaugrau und Rosa werden vor allem für die Buchstabenformen und die Randdekorationen verwendet. Die Ornamentmotive sind formal in zwei Gruppen zu ordnen. Bei den Initialen der ersten Gruppe begleiten gerade begrenzte, goldene Streifen die vegetabilen oder zoomorphen Ausläufer der Buchstaben, und alle Binnenflächen sind mit kräftigen schwarzen Konturen gerahmt. Blattformen und Tierkörper wirken flächig. Bei den Initialen der zweiten Gruppe finden sich weder goldene Aussengründe noch schwarz gerahmte Binnenformen. Die Ausläufer sind hier aus einzelnen pflanzlichen Elementen zu langen, dünnen Stangen zusammengesetzt und stark plastisch aufgefasst; manche Formen sind so wiedergegeben, als würden sie sich wirklich rund um einen Stab herumschlingen. Zu dieser Gruppe gehören auch die Zierstäbe, die in menschlichen oder tierischen Halbfiguren enden (Abbildung links). Mindestens zwei verschiedene Buchmaler haben also bei der Vorzeichnung und wohl auch bei der Ausmalung der Handschrift mitgewirkt. Ihre Vorlagen stammen aus unterschiedlichen Traditionen. Vorbilder für die Initialen der ersten Gruppe finden sich in Frankreich: Die geometrische Umfassung der Rankenausläufer mit Goldgrund, die flächigen Blattranken und die kräftigen schwarzen Konturen sind verbreitete Merkmale französischer Initialen aus dem 13. Jahrhundert. Die Ornamentik der zweiten Gruppe hingegen orientiert sich an italienischen Arbeiten. Vergleichbare Ranken finden sich in der italienischen Buchmalerei aus dem 3. Viertel des 13. Jahrhunderts beispielsweise in Bologna, Arezzo, Florenz und anderen nord- und mittelitalienischen Orten. (Note: 247. Ein Charakteristikum italienischer Malerei ist auch die Technik der grünen Untermalung bei den Gesichtstönen, besonders deutlich zu erkennen bei dem Mönchskopf 17v.) Die beiden Künstler so unterschiedlicher Herkunft haben eng zusammengearbeitet, ein zeitlicher Unterbruch in der Ausmalung ist unwahrscheinlich: Die Ausstattung des ersten Teiles der Handschrift wurde gleichmässig zwischen den beiden aufgeteilt; der 'französischere' Künstler übernahm die ersten beiden Lagen, der andere die zwei restlichen. Die beiden Deckfarbeninitialen im zweiten Teil stammen wiederum von der ersten Hand, wobei der zweite Künstler auf diesen beiden Seiten und auf der allerersten Seite der Handschrift noch je einen Zierstab hinzusetzte (Abbildung S. 48, unten). (Note: 248. Die enge Zusammenarbeit zeigt sich besonders deutlich auf folio 62r, hier überlappen sich die Ausläufer der Initiale des ersten Künstlers und der Zierstab des zweiten, die Schichtenabfolge ist nicht zweifelsfrei aufzulösen; Vorzeichnungen, Ausführung in Deckfarben und einzelne Strichkorrekturen bei beiden Ornamenten sind je ineinander verzahnt.) Ob die figürlichen Szenen in den Initialen von einem der beiden Ornamentmaler oder von einer dritten Hand ausgeführt wurden, ist unklar. (Note: 249. Vielleicht ist die Ausführung (oder nur die Vorzeichnung) der figürlichen Szenen dem «französischeren» Künstler zuzuschreiben, auf seiner Arbeitsportion finden sich mehr historisierte Initialen als auf den beiden folgenden Lagen. Der Stil der Figuren erinnert ebenfalls an französische Arbeiten.) Der komplizierte Arbeitsprozess lässt auf eine gut organisierte Illuminatorenwerkstatt schliessen, in der qualifizierte Künstler verschiedener Herkunft zusammenwirkten und vielfältiges Vorlagenmaterial verfügbar war. Die Lokalisierung der Werkstatt nach Nord- oder Mittelitalien bleibt vage; französische Einflüsse sind in der italienischen Buchmalerei des 13. Jahrhunderts an verschiedenen Orten anzutreffen.
Auf eine Entstehung in Italien weist auch eine aussergewöhnlich gute, mit Deckfarbenweiss modellierte Aktzeichnung auf dem äusseren Blattrand neben dem pseudo-aristotelischen Werk über die Physiognomie ('De physiognomia'). (Note: 250. Es handelt sich um die lateinische Übersetzung eines ursprünglich griechischen Werkes, das schon in der Antike Aristoteles zugeschrieben wurde, aber wohl nicht von ihm selbst stammt. Die Übersetzung erstellte Bartholomäus von Messina für Manfred von Sizilien, vgl. Johannes Thomann, Studien zum «Speculum physionomie» des Michele Savonarola, Diss. Universität Zürich 1997, S. 4.) Die nackte Frau scheint zu tanzen, sie hat ihre angewinkelten Arme über den Kopf erhoben, die Hände geöffnet und den Kopf leicht nach links unten geneigt (Abbildung oben). (Note: 251. Der Körper wirkt zwar eher männlich, die Modellierung der Brüste, die Gesichtszüge und die langen Haare charakterisieren die Figur jedoch als weiblich.) Ihr Körper formt sich zu einer Kurve, die Hüfte schwingen aus, und das ganze Gewicht scheint auf der Zehen- spitze des rechten Fusses zu lasten. Der linke Unterschenkel ist wie bei einem Tanzsprung angehoben. Die Frau trägt ihr Haar zu zwei langen Zöpfen geflochten; der linke Zopf fällt hinter ihrem Rücken bis auf Hüfthöhe hinunter, der rechte hat sich um den erhobenen Unterarm gelegt. Im Kontrast mit dem nackten, eher unbeholfen gezeichneten menschlichen Figürchen in der Initialminiatur auf derselben Seite zeigt sich das Aussergewöhnliche der Zeichnung besonders deutlich. Der kleine Mann entspricht weitgehend den mittelalterlichen Darstellungskonventionen für nackte Personen. Er hat nur Hinweisfunktion, von seiner plastisch-dreidimensionalen Körperlichkeit wird abstrahiert. Nicht so bei der Frauenfigur: Hier scheint in Proportionen, Plastizität und Gliedergestaltung ein echter Körper nachgebildet worden zu sein. Als Vorbild sind antike Werke, möglicherweise plastische Figuren oder solche in Halbrelief, zu vermuten. (Note: 252. In Oberitalien gab es schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Buchmaler, die fähig waren, antikenahe Menschendarstellungen auszuführen. Dies zeigen die antikischen Szenen auf den Rändern einer in Bologna entstandenen Luxusbibel, die später dem französischen König Charles V. gehörte und seit dem Spätmittelalter in Gerona aufbewahrt wird, vgl. Joaquin Yarza Luaces, La Bibbia di Carlo V. nella Cattedrale di Gerona, in: Valentino Pace / Martina Bagnoli (Hrsg.), Il Gotico europeo in Italia, Neapel 1994, S. 415–427.) Wahrscheinlich hat der Zeichner verschiedene Vorlagen miteinander kombiniert. (Note: 253. Dieses Verfahren könnte kleine Unregelmässigkeiten wie die übergrossen Hände oder den eigenartig breiten linken Fuss erklären. Ähnliche Handgesten finden sich bei – allerdings stets bekleideten – Tänzerinnen. Der Oberkörper, die Haltung des Kopfes und der Oberarme erinnern an einen Kruzifixus.) Den einzigen chronologischen Fixpunkt für die Datierung der Zeichnung liefert die nachträglich unten hinzugefügte Schimpftirade auf die Frauen, die ohne das Bild keinen Sinn macht; diese Schrift datiert wohl ins 14. Jahrhundert. Stilistisch ist nicht auszuschliessen, dass der Illuminator, der mit gekonnter Linienführung den Mönchskopf auf dem Ornamentstab (17v) entwarf, auch die Randfigur zeichnete. Andernfalls müsste die Handschrift irgendwann nach ihrer Fertigstellung wiederum in die Hände eines sehr begabten Künstlers geraten sein.
Die inhaltliche Bedeutung dieser Zeichnung bleibt in der Schwebe, sie lässt sich nicht direkt aus der danebenstehenden Passage der physiognomischen Abhandlung ableiten. (Note: 254. Die Schrift beginnt mit einer längeren allgemeinen Einleitung zum Wert und der Methodik physiognomischen Denkens, darauf folgen die Beschreibungen der körperlichen Erscheinungsformen einzelner Charaktere.) Die Darstellung ist nicht einfach eine Illustrierung zu einem der anschliessend geschilderten Menschentypen, sondern, wie es für in den Rand Geschriebenes oder eben Gezeichnetes charakteristisch ist, eine Art Glosse oder Kommentar, die dem Text eine neue Dimension gibt, ihn parodisiert oder problematisiert. (Note: 255. Vielleicht liess sich der Künstler von der Erwähnung eines Musikers (citharista) auf der zweituntersten Zeile, einem der wenigen konkreten Begriffe dieses Textteiles, zu einer Tanzdarstellung anregen.) Ob der Auftraggeber eine solche Zeichnung haben wollte und welche inhaltlichen Konnotationen er resp. der Künstler mit der Darstellung verband, ist schwierig festzustellen. Der frauenfeindliche Kommentar darunter dürfte allerdings inhaltlich für viele zeitgenössische Reaktionen stehen, lässt doch schon die ausgeprägte Tanzgestik an das Treiben von Spielleuten und Gauklern denken, einmal abgesehen von der Sündhaftigkeit nackter Körper. (Note: 256. Ein wichtiges Element des mittelalterlichen Tanzes war die ausgeprägte Fingerbewegung. Mittelalterliche Darstellungen ganz nackter Tänzerinnen sind mir jedoch keine bekannt; vgl. Birgit Fassbender, Gotische Tanzdarstellungen (Europäische Hochschulschriften, Reihe 28: Kunstgeschichte, 192), Frankfurt a. M. 1994.) In seiner durch rhetorische Mittel gesteigerten Emotionalität verweist der spätere Spruch jedoch auf eine dem Bild inhärente Doppeldeutigkeit, die schon zeitgenössische Betrachter angezogen und erschreckt haben wird: Die nackte weibliche Figur ist ein faszinierendes Bild sinnlicher Attraktivität und körperlicher Schönheit.
Wer die Handschrift bestellte und bezahlte, wissen wir nicht. Es lassen sich nur Vermutungen darüber anstellen, welche Kreise Interesse an einem Buch diesen Inhalts und dieser Ausstattung hatten. Die Überlieferung der Texte führt in den Umkreis des staufischen Hofes in Süditalien. Die Reichhaltigkeit der Dekoration, die genaue Abstimmung der Bildszenen auf die Textinhalte und die gute Ausführung der Miniaturen zeigen, dass es sich um eine Profanhandschrift von grosser Qualität handelt, um eine Spezialanfertigung mit entsprechend hohen Kosten. Die mit der Ausführung betraute Malerwerkstatt ist nicht lokalisiert; einer der beteiligten Buchmaler hatte offenbar genaue Kenntnisse derjenigen Ornamentik, die in Bologna und anderen oberitalienischen Städten im 3. Viertel des 13. Jahrhunderts verwendet wurde. Als Auftraggeber kommt am ehesten ein Mitglied des Hochadels oder ein hochgestellter Geistlicher in Frage. Personen aus diesen Kreisen bewegten sich, was ihre wissenschaftlichen Interessen betraf, im gleichen geistigen Umfeld. Bei verschiedenen Vertretern aus dem oberitalienischen Stadtadel sind die Aufgeschlossenheit gegenüber antiken Kunstwerken — die Aktzeichnung ist ein Reflex davon — und Kontakte zur zeitgenössischen französischen Kunst zu belegen.
Das Buch wurde lange benützt. Sicher war es zeitweise in geistlicher Hand. Unter der herausragenden Aktzeichnung bei 'De physiognomia ' steht ein frauenfeindlicher Kommentar, der von einem Geistlichen stammen dürfte. Über die Interessen eines weiteren Besitzers könnten wohl die Randbemerkungen zu 'De mineralibus' Auskunft geben; man müsste sie genauer untersuchen. Der Besitzer Prosper Babbus, der seinen Namen auf dem ersten Blatt eintrug, liess sich bisher nicht nachweisen. Im späten 15. Jahrhundert entdeckte man, dass im mittleren Teil der Handschrift Werke von Albertus Magnus überliefert sind, was von zwei Händen des späten 15. oder 16. Jahrhunderts vermerkt ist. Darauf verlieren sich die Spuren der Besitzer bis 1949, als die Handschrift für die Eisenbibliothek gekauft wurde.
Die Texte sind gut erschlossen. (Note: 227. Bernhard Geyer, Eine unbekannte Albertus-Magnus-Handschrift in der Eisenbibliothek zu Schaffhausen, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 3 (1953), S. 241–144; weitere Literatur ist in der Beschreibung (unten S. 155–158) zusammengestellt.) Der reiche Buchschmuck der Handschrift dagegen wurde bisher kaum beachtet. Dies ist umso erstaunlicher, als das Werk zu den qualitativ hochstehenden Stücken der italienischen profanen Buchproduktion aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts und zu den frühen illuminierten Aristoteleshandschriften zählt und in den historisierten Initialen ikonographisch originelle Lösungen bringt. Der Sammelband ist kodikologisch komplexer als die übrigen in diesem Katalog beschriebenen Kodizes. Auf den 100 Blättern sind mindestens vier Schreiber, zwei Rubrikatoren und mindestens zwei Buchmaler zu unterscheiden.
Die drei Teile sind selbständig, aber nicht unabhängig voneinander entstanden; der zweite und der dritte Teil wurden vor dem ersten geschrieben. Im zweiten Teil sind die Blätter mit Stift für 44 Zeilen in zwei Spalten liniiert, von einer Hand in einem Arbeitsgang niedergeschrieben und die Lagen mit einer nicht mehr vollständig sichtbaren Zählung mit Stift von i bis iiii versehen. Durch eine weitere Zählung wurde die Reihenfolge der Blätter innerhalb der Lagen festgehalten, indem in der ersten Hälfte der Lagen jedes Blatt mit einem Buchstaben bezeichnet wurde, in der ersten Lage von a bis f, in der zweiten von g bis l. Die dritte und die vierte Lage wurden bei dieser Zählung verwechselt, so dass die dritte Lage mit s beginnt und die vierte mit m. Diese Zählungen sind ein deutliches Indiz dafür, dass die vier Lagen des zweiten Teils anfänglich selbständig aufbewahrt wurden. Der dritte Teil ist mit Stift für 49 Zeilen liniiert und von einer anderen Hand geschrieben. Hier sind die drei-, gelegentlich bis siebenzeiligen Lombarden in Weiss auf eine rechteckige Fläche in Blau oder Ocker eingesetzt und mit Fleuronné verziert. Zwei kurze Werke auf den letzten beiden Blättern dieses Teils sind später geschrieben, wohl von der gleichen Hand, und nur mit einfachen roten und blauen Lombarden ausgestattet. Ganz uneinheitlich ist die Einrichtung der Seiten im zuletzt entstandenen ersten Teil. Am Anfang lassen sich gar keine Linien feststellen (Note: 228. Die erste Lage besteht aus anderem Pergament (Kalb?) als die übrigen (Ziege?).), weiter hinten erkennt man Blind- und Stiftlinien. Die Zeilenzahl schwankt beträchtlich zwischen 35 und 55. Hier ändert die Tintenfarbe gelegentlich beim Übergang von einem Werk zum nächsten. Man kann mindestens zwei Schreiber unterscheiden.
Es ist wenig wahrscheinlich, dass das Kompendium mit all den Werken, die heute in der Sammelhandschrift vereinigt sind, von Anfang an in dieser Form und mit dieser Ausstattung geplant war; die Teile sind aber auch nicht unabhängig voneinander entstanden und erst in späterer Zeit zu einem Sammelband vereinigt worden. Der zweite Teil mit den beiden Werken von Albertus Magnus und der dritte Teil mit den Werken von Michael Scotus und anderen Autoren waren bereits geschrieben, als die Arbeit am ersten Teil aufgenommen wurde. Diese Abfolge der Arbeiten ergibt sich aus den Rubriken und dem Buchschmuck. Die Hand des ersten Rubrikators des ersten Teils findet man ganz am Ende des dritten Teils wieder. Der Rubrikator ergänzte beim dritten Teil nur die Überschriften am Ende der Handschrift, war also nur am Schluss beteiligt, während er beim ersten Teil von Anfang an — und offenbar in leitender Stellung — an der Gestaltung der Handschrift mitwirkte. (Note: 229. Darauf weist die Beurteilung der Autorschaft in einer Rubrik durch den Rubrikator hin. S. oben, S. 43 mit Anm. 232.) Im Buchschmuck fällt der grosse Unterschied zwischen den ersten beiden und dem letzten Teil auf. Im letzten Teil beginnen die ersten zwei Werke mit meistens dreizeiligen Lombarden. Im zweiten Teil wurde Platz für Lombarden der gleichen Grösse ausgespart. Anstelle der Lombarden wurden aber ornamentale Initialen mit Ausläufern eingesetzt, für die der ausgesparte Platz zu eng war, was auf eine Änderung in der geplanten Ausstattung hindeutet. Gleichartige und von den gleichen Künstlern ausgeführte Initialen stehen auch im ersten Teil. Hier wurde genügend Platz freigelassen: Die Initialen sind sechs bis zwölf Zeilen hoch.
Aus diesen Befunden lässt sich der Arbeitsablauf rekonstruieren; es ergibt sich aber kein klares Bild des Ateliers, in dem die Handschrift hergestellt wurde. Fest steht nicht einmal, dass alle drei Teile am gleichen Ort geschrieben wurden. (Note: 230. Es ist anzunehmen, dass die drei Teile in der gleichen Werkstatt geschrieben wurden, beweisen lässt sich dies aber nicht.) Sicher ist aber, dass sie am gleichen Ort fertiggestellt wurden und dass in dieser Werkstatt professionell arbeitende Fachkräfte zusammenwirkten. Dies kann in einer weltlichen oder einer klösterlichen Werkstatt geschehen sein — wir wissen nur, dass ein frater Guifredus als Schreiber mitarbeitete. Die Mitarbeit dieses Fraters allein reicht aber nicht aus, um die Entstehung in einem Kloster anzunehmen.
In der Sammelhandschrift sind Texte vereinigt, die im mittleren Drittel des 13. Jahrhunderts entstanden oder durch Übersetzungen zugänglich gemacht wurden. Die jüngsten stammen aus den 1250er Jahren, so der Prolog, den König Manfred von Sizilien, der Sohn Kaiser Friedrichs II., zum 'Liber de pomo' verfasste, die Übersetzung des Aristoteles zugeschriebenen Werks über die Physiognomie und das geographische Werk des Albertus Magnus. Sie geben den neuesten Stand des damaligen Wissens wieder. Es waren bedeutende Werke; sie wurden noch bis ins 15. Jahrhundert vielfach abgeschrieben und kamen in der Frühzeit des Buchdrucks in verschiedenen Ausgaben auf den Markt. (Note: 231. Die Inkunabeldrucke der Werke von Albertus Magnus und Aristoteles sind im GW nachgewiesen: Albertus Magnus, De mineralibus, GW 686–689 (Padua 1476, Pavia 1491, Venedig 1495, Köln 1499); Werkausgaben des Aristoteles mit den gleichen Schriften wie Mss 20: GW 2436 (Venedig 1482), GW 2441 (Venedig 1496); Pseudo- Aristoteles, De secreto secretorum, GW 2481–2484 (Köln um 1472, Löwen um 1485, Antwerpen um 1488). Andere Werke wie Albertus Magnus, De natura loci, fanden im 16. Jahrhundert stärkere Beachtung.) Man kann Texte naturwissenschaftlichen und ethischen Inhalts unterscheiden. Die Naturwissenschaft, die mit Albertus Magnus und Michael Scotus vertreten ist, liefert eine Beschreibung der Welt, der Stoffe, aus der sie besteht in 'De mineralibus', der Geographie in 'De natura loci' und des Kosmos im Kommentar des Michael Scotus über die Himmelssphären. Dazu kommen Abhandlungen zur Mathematik und — in den aristotelischen und pseudo-aristotelischen kleinen Schriften Eisenbibliothek, Mss 20, italienisch, letztes Drittel des 13. Jahrhunderts, 1ra Dedikationsszene. Der kniende Übersetzer Philippus übergibt dem Bischof von Tripolis vor den Augen von Alexander dem Grossen das 'Secretum secretorum ', ein Werk über das richtige Regieren. — zu Fragen des menschlichen Lebens mit 'De physiognomia ' über das Aussehen und die Wesenserkundung der Menschen, 'De bona fortuna' über das Glück, 'Secretum secretorum' über das Herrschen und 'De pomo' über das Sterben.
Von all diesen kleinen Schriften ist die neue Übersetzung (die 'versio recentior') kopiert. Beim 'Secretum secretorum' war dem ersten Rubrikator der Umfang der Schrift nicht klar. Er schrieb nach dem vierten Buch: Incipit 5us liber de secretis Aristotilis secundum quosdam, quod non credo [Hier beginnt nach der Meinung einiger das fünfte Buch des 'Secretum secretorum' des Aristoteles, was ich nicht glaube]. (Note: 232. Eisenbibliothek, Mss 20, 14vb.) Er zählte — zu Recht — den in der Handschrift hier folgenden anonymen Text über die Planeten nicht als fünftes Kapitel zum 'Secretum secretorum'. Einige Seiten weiter hinten schrieb er beim Prolog von König Manfred zum 'Liber de pomo', der am Ende des Textes nachgetragen ist: Pones istum prologum ad tercium folium retro [Du plazierst diesen Prolog drei Blätter weiter vorn]. (Note: 233. Eisenbibliothek, Mss 20, 17va.) Als Verweiszeichen ist eine Hand skizziert, deren Entsprechung sich tatsächlich an der angegebenen Stelle am Anfang des Textes findet. Ähnlich wird der Text des fünften Kapitels des 'Secretum secretorum' nachgetragen, wozu der zweite Rubrikator bemerkt: Incipit liber 5us de secretis secretorum Aristotilis et vadis ad tale signum in 4o folio superius [Hier beginnt das fünfte Buch des 'Secretum secretorum' des Aristoteles, und du gehst zum gleichen Zeichen auf dem vierten Blatt oben]. (Note: 234. Eisenbibliothek, Mss 20, 17vb.) Die genaue Stelle ist dort mit einem Fuss bezeichnet. An den durch Hand- und Fusszeichen markierten Textsprüngen erkennt man, dass keine fertige Sammlung kopiert, sondern eine neue Zusammenstellung aus verschiedenen Vorlagen angefertigt wurde.
Die aristotelischen und pseudo-aristotelischen Schriften bilden den ersten Teil der Handschrift, der zuletzt hergestellt und viel reicher als die übrigen Teile illuminiert wurde. Die meisten grösseren Textabschnitte beginnen mit einer Deckfarbeninitiale — auf nur 32 Blättern finden sich hier 16 Initialen. Im ganzen enthält die Handschrift zwölf historisierte Initialen auf Goldgrund, eine autonome Randzeichnung, sechs ornamentale Initialen auf Goldgrund und Zierstäbe auf verschiedenen Seiten. Im zweiten Teil sind nur die Anfänge der beiden Werke von Albertus Magnus entsprechend ausgezeichnet, im dritten Teil fehlt dieser Schmuck gänzlich. Die ungleiche Verteilung ist vielleicht dem Inhalt und dem Gewicht der Texte, deren Wertschätzung am königlich-sizilianischen Hof bekannt war, zuzuschreiben, vielleicht ist es der reicheren Ausstattung einer der Vorlagen zu verdanken, dass das Niveau des Buchschmuckes in der letzten Phase der Herstellung der Sammelhandschrift stark angehoben wurde.
Ein Schwerpunkt des Bildprogrammes sind die sieben historisierten Initialen zum ersten Werk in der Handschrift, dem pseudo-aristotelischen 'Secretum secretorum'. Dieser Text wurde im Laufe des 10. Jahrhunderts in Syrien zusammengestellt, in Umfang und Zusammensetzung mehrfach verändert und im 12. und 13. Jahrhundert in mehreren Anläufen aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. Der reichen handschriftlichen Überlieferung nach gehörte er im Mittelalter zu den beliebten und verbreiteten Texten. Wie ein Fürstenspiegel befasst er sich im Kern mit der Frage des richtigen Regierens und enthält für einen guten Herrscher nützliche Ergänzungen zu astrologischen, naturkundlichen, alchemistischen, medizinischen und physiognomischen Fragen. Er ist ein Zeugnis für die Rezeption antiker griechischer und mittelalterlicher arabischer Philosophie und Naturwissenschaften in Spanien und Süditalien; in seiner komplizierten Übersetzungsgeschichte spiegeln sich die vielfältigen kulturellen Beziehungen im Mittelmeerraum. Eine Teilübersetzung muss vor 1235 in Süditalien verfügbar gewesen sein, denn Michael Scotus, der in diesem Jahr starb, kannte den Text. (Note: 235. Steven J. Williams, Prima diffusione dello pseudo-aristotelico «Secretum Secretorum» in Occidente: corte papale e corte imperiale, in: Pierre Toubert / Agostino Paravicini Bagliani (Hrsg.), Federico II e le scienze, Palermo 1994, S. 459–474, v. a. S. 463.)
Im häufig mitüberlieferten Prolog heisst es, ein okzitanischer Geistlicher, Philippus Tripolitanus, habe auf Geheiss des Guido Vere von Valencia, eines Bischofs von Tripolis, das 'Secretum secretorum' aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. (Note: 236. Ob dies historische oder fiktive Personen sind, ist unklar. Sie konnten bisher jedenfalls nicht eindeutig identifiziert werden; s. Reinhold Möller (Hrsg.), Hiltgart von Hürnheim. Mittelhochdeutsche Prosaübersetzung des «Secretum Secretorum» (Deutsche Texte des Mittelalters, 56), Berlin 1963, Einleitung S. LX und M.-Th. d'Alverny, Conclusion, in: W. F. Ryan, Charles B. Schmitt (Hrsg.), Pseudo-Aristotle The Secret of Secrets. Sources and Influences (Warburg Institute Surveys, 9), London 1982, S. 132–140, hier S. 136.) Die Urfassung, berichtet Philippus, habe Aristoteles auf die Bitte von Alexander d. Gr. in Griechisch verfasst. Darauf sei das Buch ins Syrische und ins Arabische übertragen worden. Die Initiale auf der ersten Seite der Handschrift zu Beginn dieses Prologes zeigt eine Dedikationsszene (Abbildung S. 43): Links thront ein Bischof in vollem Ornat; über der orangen Tunika trägt er eine dunkelblaue Kasel, das Pallium und die Mitra. Er wendet sich mit erhobenen Händen dem vor ihm knienden Mann mit Tonsur zu, der ihm eine geöffnete Rolle hinhält. Rechts neben den beiden steht ein König mit einem dunkelblauen, pelzverbrämten Mantel. Der Prologerzählung folgend ist hier Philippus dargestellt, der dem Bischof von Tripolis seine Übersetzung überreicht. Der abgebildete König ist wohl Alexander d. Gr., der als geistiger Urheber des Werkes gilt, da er Aristoteles um dessen Abfassung gebeten hatte. Die auf der nächsten Seite folgende Initiale illustriert die Entstehungsumstände genauer (Abbildung oben). Sie zeigt einen sitzenden alten Mann mit Vollbart und grauen Haaren, der einem vor ihm niederknienden jüngeren Mann ein kleines Buch überreicht. In der anderen Hand hält er eine Tafel. Gemäss der fiktiven literarischen Tradition hatte Alexander d. Gr. seinen Lehrer Aristoteles um einen Besuch in Alexandria gebeten. Dieser kam der Bitte jedoch nicht nach und legte in einem an den König gerichteten Brief dar, dass er für eine solche Reise zu alt und zu schwach sei. An Stelle der persönlichen Unterweisung schicke er ihm ein Buch, in welchem er ihm die wichtigsten Ratschläge gebe, so klar und deutlich, wie wenn er selbst anwesend wäre. Die Miniatur zeigt also die Übergabe des Buches an einen Boten. Die Tafel, die Aristoteles in der Hand hält, ist nach ihrer Beschriftung das visuelle Zeichen für den mitgegebenen Begleitbrief an den König. (Note: 237. Die ursprüngliche Beschriftung ist nur teilweise zu entziffern: O FI[L?]I CAR[I?]S[S?]IME. Der Satz ist als Anrede formuliert.) Die dritte Initiale schliesslich illustriert erstmals den eigentlichen Inhalt des Werkes (Abbildung links unten). Sie leitet das erste Buch ein, das von den Eigenschaften eines guten Herrschers handelt, und zeigt in der Mitte Alexander d. Gr. mit Krone und einem auf der rechten Schulter von einer Fibel zusammengehaltenen Mantel. Neben ihm stehen zwei Figurengruppen, links drei Krieger in voller Rüstung und rechts drei ältere, vornehm gekleidete Männer. Im Text heisst es hier, ein König müsse sich auf zweierlei Hilfen verlassen können, auf die Stärke der Männer, die sein Königreich schützen, und auf die Weisheit guter Ratschläge. (Note: 238. Die im folgenden beschriebene Maxime, ein König habe durch Milde und Freigebigkeit dafür zu sorgen, dass ihm seine Untertanen gehorsam seien, ist möglicherweise durch die Gestik des Königs und seines Gegenübers wiedergegeben: Alexander hat die Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger erhoben, der andere hält sie gesenkt.) Diese beiden Hilfen dürften in den Figuren personifiziert sein: Krieger wie weise Männer braucht ein guter König.
Im zweiten Buch des 'Secretum secretorum' referiert Aristoteles astrologisches Grundwissen und erteilt dem König den Rat, nichts zu unternehmen, ohne vorher einen kundigen Sterndeuter zu konsultieren. Die Miniatur zeigt demgemäss Aristoteles als Astronom (Abbildung rechts). In den Händen hält er das Astrolabium, ein astronomisches Mess- und Beobachtungsgerät, das gleichzeitig als Sternenuhr diente. Deutlich erkennbar ist die senkrechte Aufhängevorrichtung des Gerätes und das durch einen Zapfen in der Mitte drehbare Diopterlineal vor der Scheibe. Der Rundung der O-Initiale folgt ein schmaler, dunkler Firmamentstreifen; zahlreiche kleine Sterne, die Mondsichel und eine leuchtend rote Sonne sind darauf erkennbar.
Die folgenden Abschnitte werden ebenfalls mit einer den Inhalt illustrierenden Darstellung eingeleitet: Im dritten Buch erläutert Aristoteles die Eigenschaften, Qualitäten und Kräfte von Pflanzen und Steinen. Die Initiale zeigt den Philosophen, der sich zu einigen kleinen, hellgrünen Pflanzen hinunterbückt (Abbildung rechts). Unspezifischer ist die Figur mit Zeigegestus in der Initiale zu Beginn des vierten Buches. Der Text handelt von einem abstrakten Thema, der Seele, dem Vorstellungs- und Erkenntnisvermögen. (Note: 239. In der mittelhochdeutschen Übersetzung der Hiltgart von Hürnheim ist der entsprechende Abschnitt mit «Ain hail der seele» betitelt; s. Edition von Möller (wie Anm. 236), Cap. 75, S. 156.) Diese Begriffe sind schwierig in ein anschauliches Bild zu übersetzen; die Figur mit den beiden zeigenden Händen bezeichnet daher einfach den lehrenden Philosophen (Abbildung rechts).
Dem 'Secretum secretorum' angefügt sind zwei kurze, ebenfalls pseudo-aristotelische Werke, die häufig zusammen mit diesem überliefert wurden, das Buch über die Planeten ('Liber de planetis ') und das Buch vom Apfel ('Liber de pomo'). Die astrologische Schrift zeigt in der Initiale einen blau gekleideten, hellhaarigen und bärtigen Mann, der mit beiden Händen zu der Darstellung in der oberen Schlaufe weist. Dort ist die Sphäre mit den Himmelskörpern abgebildet. Die Planeten und die Sonne sind als kleine weisse resp. rote Punkte eingezeichnet, die auf weissen Bahnen um die Erde kreisen (Abbildung rechts). Das Buch vom Apfel enthält den Sterbe- Dialog des Aristoteles mit seinen Schülern über den hohen Wert der Philosophie als Weg zum ewigen Heil. (Note: 240. Englische Übersetzung: The Apple or Aristotle's Death (De Pomo sive De Morte Aristotilis), transl. and with introduction by Mary F. Rousseau (Mediaeval Philosophical Texts in Translations, 18), Milwaukee 1968. Ob der Platons «Phaidon» nachgebildete Text auf einem griechischen Original beruht, ist unklar. Jedenfalls zirkulierten seit dem 10. Jahrhundert arabische Versionen, deren eine um 1235 ins Hebräische und darauf um 1255 am Hof von Manfred in Sizilien aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt wurde.) Seinen Titel erhielt der Dialog von einem Apfel, den Aristoteles während des ganzen Gesprächs in den Händen hält und aus dessen lebenserhaltendem Wohlgeruch er jeweils neue Kräfte schöpft. Die Initiale zeigt den alten, schwachen Mann unter einer blauen Decke mit weissem Fehbesatz ruhend, den Kopf auf einem Kissen (Abbildung links). In der erhobenen Hand hält er gut sichtbar die rote Frucht. Hinter dem Bett stehen drei Nachfolger und Schüler in antiker Gewandung und mit orientalischen Hüten, ihre Gestik und Mimik drückt die Beteiligung am Dialog aus.
Ab der dritten Lage lockert sich die Dichte des figürlichen Bildprogrammes; einige Abschnitte sind nurmehr mit ornamentalen Initialen gekennzeichnet. Wo historisierte Initialen vorkommen, sind sie aber wie bisher genau auf den Inhalt des Textes abgestimmt. So zeigt die kleine, physikalisch-philosophische Schrift von Aristoteles über die unteilbaren Linien ('De lineis indivisibilibus') den Philosophen mit je einer langen, weissen Stange in beiden Händen, den Linien, deren Teilbarkeit in Punkte der Text erörtert (Abbildung S. 47, Mitte). Das ebenfalls aristotelische Werk über das Glück ('De bona fortuna') beginnt mit dem Rad der Fortuna (Abbildung S. 47, oben). Obenauf thront ein blau gekleideter, gekrönter Mann; in seiner Linken hält er einen grünen Zweig, mit der Rechten weist er zum Textbeginn hinüber. (Note: 241. Die Figur ist wohl als Aristoteles zu interpretieren. Sie gleicht dem Philosophen auf den anderen Miniaturen und hält, wie bei der Initiale zu «De motu animalium», einen grünen Wedel in der Hand.) Drei etwas kleinere, jeweils in knielange Röcke gekleidete Figuren klammern sich mit beiden Armen an der Rundung des Rades fest: derjenige rechts — fallend — mit dem Kopf nach unten, derjenige unten horizontal liegend, derjenige links mit dem Kopf nach oben. Das Festklammern der vom Schicksal bewegten Figuren ist deutlich wiedergegeben: Sie fassen je mit einer Hand von hinten und einer von vorne um den äusseren roten Ring. Die Szene entspricht dem gängigen Schema mittelalterlicher Glücksraddarstellungen; Fortuna selbst als Schicksalsgöttin, die häufig auf der Nabe des Rades sitzt oder dieses von aussen her bewegt, ist nicht dargestellt. Das kleine aristotelische Werk zu den Bewegungen der Tiere ('De motu animalium') zeigt im Binnenfeld der Initiale wiederum den Philosophen, diesmal mit drei Tieren, einem hellgrauen Vierbeiner, wohl ein Hund, einem grossen weissen Vogel, der Eier ausbrütet (möglicherweise eine Gans), und einer dicken blaugrauen Schlange. Aristoteles thematisiert in diesem Werk das Problem der Selbstbewegung aller Lebewesen aufgrund des Zusammenspieles seelischer und körperlicher Vorgänge. Im einleitenden Kapitel heisst es: Jetzt dagegen soll eine allgemeine Untersuchung über die gemeinsame Ursache der Bewegung, welcher Art sie auch immer ist — denn die Lebewesen bewegen sich teils durch Fliegen, teils durch Schwimmen, teils durch Gehen und teils auf entsprechende Arten —, durchgeführt werden. (Note: 242. Zitiert nach der deutschen Übersetzung von Jutta Kollesch, Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 17: Zoologische Schriften II, Teil II/III, Darmstadt 1985, S. 9.) Der Text erörtert, wie das Zitat zeigt, allgemeine Fragestellungen. Für die Illustration wurde das konkreteste Thema herausgegriffen, die eher nebenbei erwähnten Beispiele von unterschiedlichen Fortbewegungsarten der Lebewesen: das Gehen des Vierbeiners, das Fliegen des Vogels und das Kriechen der Schlange (Abbildung unten).
Das Bildprogramm der Handschrift legt den Schwerpunkt auf die Texte ethischen Inhalts. Für die Bebilderung dieser im lateinischen Westen zum Teil erst seit kurzem bekannten Texte bestand, im Gegensatz zu liturgischen Handschriften etwa, keine etablierte Tradition, an der die Illuminatorenwerkstatt sich hätte orientieren können. Das Illustrationskonzept und die Gestaltung der einzelnen Szenen mussten neu entwickelt werden. Wie dieser Prozess im Detail ablief, ist unklar. Vermutlich erhielten die Maler vom Rubrikator oder einem der Schreiber detaillierte Anweisungen, denn die meisten Miniaturen sind genau auf die entsprechenden Textinhalte bezogen. Die Frage, ob den Illuminatoren allenfalls für einzelne Teile eine ähnlich reich illustrierte Vorlage zum Kopieren zur Verfügung stand, ist offen. Die Unsicherheiten über den Umfang und die Reihenfolge der zu kopierenden Texte erklären sich allerdings am besten damit, dass der Text und die Bilder — falls überhaupt mit illustrierten Textvorlagen gearbeitet wurde — aus verschiedenen Handschriften zusammengestellt wurden. Reich illuminierte 'Secretum secretorum'-Kompendien waren im 13. Jahrhundert allem Anschein nach selten. (Note: 243. Die Illustrierung pseudo-aristotelischer Handschriften des 13. Jahrhunderts ist kaum erforscht. Während die Überlieferungs- und Übersetzungsgeschichte des «Secretum secretorum» vielfach behandelt wird, fehlen kunsthistorische Untersuchungen gänzlich. Etwas besser ist die Situation bezüglich der Bebilderung echter aristotelischer Schriften, vgl. Michael Camille, The Discourse of Images in Philosophical Manuscripts of the Late Middle Ages: Aristoteles illuminatus, in: Atti. I luoghi dove si accumulano i segni… Atti del convegno di studio della Fondazione Ezio Franceschini e della Fondazione IBM Italia, Certosa del Galluzzo 20–21 ott. 1995, Spoleto 1997, S. 93–110. Eine illustrierte Aristoteles-Handschrift aus England ist ausführlich publiziert (Michael Camille, Illustrations in Harley MS 3487 and the Perception of Aristotle's Libri naturales in Thirteenth-Century England, in: England in the Thirteenth Century. Proceedings of the 1984 Harlaxton Symposium, ed. by W. M. Omrod, Harlaxton College 1985, S. 31–43). Benutzer und Auftraggeber dieses Werkes war vermutlich ein Gelehrter der Universität Oxford, möglicherweise ein Franziskaner. Die ikonographische Hauptquelle scheinen hier religiöse Handschriften, hauptsächlich die Bibel und der Psalter, gewesen zu sein. Die Arbeit von Sherman befasst sich nur mit dem 14. Jahrhundert (Claire Richter Sherman, Imaging Aristotle. Verbal and Visual Representation in Fourteenth-Century France, Berkeley 1995).) Eine italienische Übersetzung dieses Werkes wurde Ende des 13. Jahrhunderts in der Toskana mit nur einem Medaillon und vier historisierten Initialen verziert. (Note: 244. Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. italien 917; François Avril, Marie-Therèse Gousset, Manuscrits enluminés d'origine italienne. Vol. 2: XIIIe siècle, Paris 1984, S. 126f. und Taf. LXXXII. Das Medaillon zeigt den Kreis der Gerechtigkeit nach Aristoteles, die Initialen zwei Autoren- oder Übersetzerporträts, die Übergabe des Buches an Alexander d. Gr. und, zum «Liber de pomo», den sterbenden Aristoteles. Zwei reich illuminierte Handschriften des «Secretum secretorum» wurden um 1326/27 für den jungen englischen König Edward III. hergestellt, eine lateinisch (London, British Library, Ms. Add. 47680), eine zweite französisch (Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. français 571); s. Lucy Sandler Freeman, Gothic manuscripts. 1285–1385 (A Survey of Manuscripts Illuminated in the British Isles), London 1986, Nr. 85, S. 93f. und Nr. 96, S. 103 bis 105 und Michael A. Michael, A Manuscript Wedding Gift from Philippa of Hainault to Edward III, in: The Burlington Magazine (1985), S. 582 bis 599. Volkssprachliche illustrierte Secretum-Handschriften waren demnach angemessene Geschenke für angehende Herrscher.) Illustrierte Handschriften mit aristotelischen Texten waren im 13. Jahrhundert etwas verbreiteter; (Note: 245. Branner, Manuscript Painting, listet im Register einige Werke auf.) ihr Bildprogramm beruht aber selten auf genauer Kenntnis der Textinhalte, sondern zeigt ein Autorenporträt oder sakrale Themen. (Note: 246. Dies gilt für die Pariser Buchmalerei, für andere Regionen fehlen meines Wissens entsprechende Forschungsresultate, s. Branner, Manuscript Painting, S. 125, Anm. 27.)
Auch die Illuminatoren des Mss 20 haben, wo immer möglich, tradierte Bildformulare aus der sakralen und profanen Malerei, z. B. der Epenillustration, übernommen. Gängige Bildschemata mussten nur geringfügig angepasst werden, wie unter anderen die Initiale mit dem Rad der Fortuna oder die Dedikationsminiatur zeigen. Stand keine geeignete Vorlage zur Verfügung, wurden die Bilder offenbar in enger Anlehnung an den Text neu entworfen, so die Szene bei 'De motu animalium'. Sie lässt sich ebensowenig in einen anderen Kontext übertragen wie die in ihrer Einfachheit originelle Darstellung des Aristoteles mit den Linien.
Stilistische Unterschiede geben Hinweise auf die Anzahl der an der Ausmalung beteiligten Künstler und ihre Zusammenarbeit. Die Figurenbildung und die Farbigkeit aller Initialen ist einheitlich. Ein warmes Orange, Blau und Grau sind die dominanten Farben auf den Goldgründen der Binnenfelder, stärker mit Weiss gebrochene Töne wie Blaugrau und Rosa werden vor allem für die Buchstabenformen und die Randdekorationen verwendet. Die Ornamentmotive sind formal in zwei Gruppen zu ordnen. Bei den Initialen der ersten Gruppe begleiten gerade begrenzte, goldene Streifen die vegetabilen oder zoomorphen Ausläufer der Buchstaben, und alle Binnenflächen sind mit kräftigen schwarzen Konturen gerahmt. Blattformen und Tierkörper wirken flächig. Bei den Initialen der zweiten Gruppe finden sich weder goldene Aussengründe noch schwarz gerahmte Binnenformen. Die Ausläufer sind hier aus einzelnen pflanzlichen Elementen zu langen, dünnen Stangen zusammengesetzt und stark plastisch aufgefasst; manche Formen sind so wiedergegeben, als würden sie sich wirklich rund um einen Stab herumschlingen. Zu dieser Gruppe gehören auch die Zierstäbe, die in menschlichen oder tierischen Halbfiguren enden (Abbildung links). Mindestens zwei verschiedene Buchmaler haben also bei der Vorzeichnung und wohl auch bei der Ausmalung der Handschrift mitgewirkt. Ihre Vorlagen stammen aus unterschiedlichen Traditionen. Vorbilder für die Initialen der ersten Gruppe finden sich in Frankreich: Die geometrische Umfassung der Rankenausläufer mit Goldgrund, die flächigen Blattranken und die kräftigen schwarzen Konturen sind verbreitete Merkmale französischer Initialen aus dem 13. Jahrhundert. Die Ornamentik der zweiten Gruppe hingegen orientiert sich an italienischen Arbeiten. Vergleichbare Ranken finden sich in der italienischen Buchmalerei aus dem 3. Viertel des 13. Jahrhunderts beispielsweise in Bologna, Arezzo, Florenz und anderen nord- und mittelitalienischen Orten. (Note: 247. Ein Charakteristikum italienischer Malerei ist auch die Technik der grünen Untermalung bei den Gesichtstönen, besonders deutlich zu erkennen bei dem Mönchskopf 17v.) Die beiden Künstler so unterschiedlicher Herkunft haben eng zusammengearbeitet, ein zeitlicher Unterbruch in der Ausmalung ist unwahrscheinlich: Die Ausstattung des ersten Teiles der Handschrift wurde gleichmässig zwischen den beiden aufgeteilt; der 'französischere' Künstler übernahm die ersten beiden Lagen, der andere die zwei restlichen. Die beiden Deckfarbeninitialen im zweiten Teil stammen wiederum von der ersten Hand, wobei der zweite Künstler auf diesen beiden Seiten und auf der allerersten Seite der Handschrift noch je einen Zierstab hinzusetzte (Abbildung S. 48, unten). (Note: 248. Die enge Zusammenarbeit zeigt sich besonders deutlich auf folio 62r, hier überlappen sich die Ausläufer der Initiale des ersten Künstlers und der Zierstab des zweiten, die Schichtenabfolge ist nicht zweifelsfrei aufzulösen; Vorzeichnungen, Ausführung in Deckfarben und einzelne Strichkorrekturen bei beiden Ornamenten sind je ineinander verzahnt.) Ob die figürlichen Szenen in den Initialen von einem der beiden Ornamentmaler oder von einer dritten Hand ausgeführt wurden, ist unklar. (Note: 249. Vielleicht ist die Ausführung (oder nur die Vorzeichnung) der figürlichen Szenen dem «französischeren» Künstler zuzuschreiben, auf seiner Arbeitsportion finden sich mehr historisierte Initialen als auf den beiden folgenden Lagen. Der Stil der Figuren erinnert ebenfalls an französische Arbeiten.) Der komplizierte Arbeitsprozess lässt auf eine gut organisierte Illuminatorenwerkstatt schliessen, in der qualifizierte Künstler verschiedener Herkunft zusammenwirkten und vielfältiges Vorlagenmaterial verfügbar war. Die Lokalisierung der Werkstatt nach Nord- oder Mittelitalien bleibt vage; französische Einflüsse sind in der italienischen Buchmalerei des 13. Jahrhunderts an verschiedenen Orten anzutreffen.
Auf eine Entstehung in Italien weist auch eine aussergewöhnlich gute, mit Deckfarbenweiss modellierte Aktzeichnung auf dem äusseren Blattrand neben dem pseudo-aristotelischen Werk über die Physiognomie ('De physiognomia'). (Note: 250. Es handelt sich um die lateinische Übersetzung eines ursprünglich griechischen Werkes, das schon in der Antike Aristoteles zugeschrieben wurde, aber wohl nicht von ihm selbst stammt. Die Übersetzung erstellte Bartholomäus von Messina für Manfred von Sizilien, vgl. Johannes Thomann, Studien zum «Speculum physionomie» des Michele Savonarola, Diss. Universität Zürich 1997, S. 4.) Die nackte Frau scheint zu tanzen, sie hat ihre angewinkelten Arme über den Kopf erhoben, die Hände geöffnet und den Kopf leicht nach links unten geneigt (Abbildung oben). (Note: 251. Der Körper wirkt zwar eher männlich, die Modellierung der Brüste, die Gesichtszüge und die langen Haare charakterisieren die Figur jedoch als weiblich.) Ihr Körper formt sich zu einer Kurve, die Hüfte schwingen aus, und das ganze Gewicht scheint auf der Zehen- spitze des rechten Fusses zu lasten. Der linke Unterschenkel ist wie bei einem Tanzsprung angehoben. Die Frau trägt ihr Haar zu zwei langen Zöpfen geflochten; der linke Zopf fällt hinter ihrem Rücken bis auf Hüfthöhe hinunter, der rechte hat sich um den erhobenen Unterarm gelegt. Im Kontrast mit dem nackten, eher unbeholfen gezeichneten menschlichen Figürchen in der Initialminiatur auf derselben Seite zeigt sich das Aussergewöhnliche der Zeichnung besonders deutlich. Der kleine Mann entspricht weitgehend den mittelalterlichen Darstellungskonventionen für nackte Personen. Er hat nur Hinweisfunktion, von seiner plastisch-dreidimensionalen Körperlichkeit wird abstrahiert. Nicht so bei der Frauenfigur: Hier scheint in Proportionen, Plastizität und Gliedergestaltung ein echter Körper nachgebildet worden zu sein. Als Vorbild sind antike Werke, möglicherweise plastische Figuren oder solche in Halbrelief, zu vermuten. (Note: 252. In Oberitalien gab es schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Buchmaler, die fähig waren, antikenahe Menschendarstellungen auszuführen. Dies zeigen die antikischen Szenen auf den Rändern einer in Bologna entstandenen Luxusbibel, die später dem französischen König Charles V. gehörte und seit dem Spätmittelalter in Gerona aufbewahrt wird, vgl. Joaquin Yarza Luaces, La Bibbia di Carlo V. nella Cattedrale di Gerona, in: Valentino Pace / Martina Bagnoli (Hrsg.), Il Gotico europeo in Italia, Neapel 1994, S. 415–427.) Wahrscheinlich hat der Zeichner verschiedene Vorlagen miteinander kombiniert. (Note: 253. Dieses Verfahren könnte kleine Unregelmässigkeiten wie die übergrossen Hände oder den eigenartig breiten linken Fuss erklären. Ähnliche Handgesten finden sich bei – allerdings stets bekleideten – Tänzerinnen. Der Oberkörper, die Haltung des Kopfes und der Oberarme erinnern an einen Kruzifixus.) Den einzigen chronologischen Fixpunkt für die Datierung der Zeichnung liefert die nachträglich unten hinzugefügte Schimpftirade auf die Frauen, die ohne das Bild keinen Sinn macht; diese Schrift datiert wohl ins 14. Jahrhundert. Stilistisch ist nicht auszuschliessen, dass der Illuminator, der mit gekonnter Linienführung den Mönchskopf auf dem Ornamentstab (17v) entwarf, auch die Randfigur zeichnete. Andernfalls müsste die Handschrift irgendwann nach ihrer Fertigstellung wiederum in die Hände eines sehr begabten Künstlers geraten sein.
Die inhaltliche Bedeutung dieser Zeichnung bleibt in der Schwebe, sie lässt sich nicht direkt aus der danebenstehenden Passage der physiognomischen Abhandlung ableiten. (Note: 254. Die Schrift beginnt mit einer längeren allgemeinen Einleitung zum Wert und der Methodik physiognomischen Denkens, darauf folgen die Beschreibungen der körperlichen Erscheinungsformen einzelner Charaktere.) Die Darstellung ist nicht einfach eine Illustrierung zu einem der anschliessend geschilderten Menschentypen, sondern, wie es für in den Rand Geschriebenes oder eben Gezeichnetes charakteristisch ist, eine Art Glosse oder Kommentar, die dem Text eine neue Dimension gibt, ihn parodisiert oder problematisiert. (Note: 255. Vielleicht liess sich der Künstler von der Erwähnung eines Musikers (citharista) auf der zweituntersten Zeile, einem der wenigen konkreten Begriffe dieses Textteiles, zu einer Tanzdarstellung anregen.) Ob der Auftraggeber eine solche Zeichnung haben wollte und welche inhaltlichen Konnotationen er resp. der Künstler mit der Darstellung verband, ist schwierig festzustellen. Der frauenfeindliche Kommentar darunter dürfte allerdings inhaltlich für viele zeitgenössische Reaktionen stehen, lässt doch schon die ausgeprägte Tanzgestik an das Treiben von Spielleuten und Gauklern denken, einmal abgesehen von der Sündhaftigkeit nackter Körper. (Note: 256. Ein wichtiges Element des mittelalterlichen Tanzes war die ausgeprägte Fingerbewegung. Mittelalterliche Darstellungen ganz nackter Tänzerinnen sind mir jedoch keine bekannt; vgl. Birgit Fassbender, Gotische Tanzdarstellungen (Europäische Hochschulschriften, Reihe 28: Kunstgeschichte, 192), Frankfurt a. M. 1994.) In seiner durch rhetorische Mittel gesteigerten Emotionalität verweist der spätere Spruch jedoch auf eine dem Bild inhärente Doppeldeutigkeit, die schon zeitgenössische Betrachter angezogen und erschreckt haben wird: Die nackte weibliche Figur ist ein faszinierendes Bild sinnlicher Attraktivität und körperlicher Schönheit.
Wer die Handschrift bestellte und bezahlte, wissen wir nicht. Es lassen sich nur Vermutungen darüber anstellen, welche Kreise Interesse an einem Buch diesen Inhalts und dieser Ausstattung hatten. Die Überlieferung der Texte führt in den Umkreis des staufischen Hofes in Süditalien. Die Reichhaltigkeit der Dekoration, die genaue Abstimmung der Bildszenen auf die Textinhalte und die gute Ausführung der Miniaturen zeigen, dass es sich um eine Profanhandschrift von grosser Qualität handelt, um eine Spezialanfertigung mit entsprechend hohen Kosten. Die mit der Ausführung betraute Malerwerkstatt ist nicht lokalisiert; einer der beteiligten Buchmaler hatte offenbar genaue Kenntnisse derjenigen Ornamentik, die in Bologna und anderen oberitalienischen Städten im 3. Viertel des 13. Jahrhunderts verwendet wurde. Als Auftraggeber kommt am ehesten ein Mitglied des Hochadels oder ein hochgestellter Geistlicher in Frage. Personen aus diesen Kreisen bewegten sich, was ihre wissenschaftlichen Interessen betraf, im gleichen geistigen Umfeld. Bei verschiedenen Vertretern aus dem oberitalienischen Stadtadel sind die Aufgeschlossenheit gegenüber antiken Kunstwerken — die Aktzeichnung ist ein Reflex davon — und Kontakte zur zeitgenössischen französischen Kunst zu belegen.
Das Buch wurde lange benützt. Sicher war es zeitweise in geistlicher Hand. Unter der herausragenden Aktzeichnung bei 'De physiognomia ' steht ein frauenfeindlicher Kommentar, der von einem Geistlichen stammen dürfte. Über die Interessen eines weiteren Besitzers könnten wohl die Randbemerkungen zu 'De mineralibus' Auskunft geben; man müsste sie genauer untersuchen. Der Besitzer Prosper Babbus, der seinen Namen auf dem ersten Blatt eintrug, liess sich bisher nicht nachweisen. Im späten 15. Jahrhundert entdeckte man, dass im mittleren Teil der Handschrift Werke von Albertus Magnus überliefert sind, was von zwei Händen des späten 15. oder 16. Jahrhunderts vermerkt ist. Darauf verlieren sich die Spuren der Besitzer bis 1949, als die Handschrift für die Eisenbibliothek gekauft wurde.
Bibliography:
- B. Geyer, Eine unbekannte Albertus-Magnus-Handschrift in der Eisenbibliothek zu Schaffhausen, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 3 (1953), S. 241-244 mit Abb.
- Lacombe, Aristoteles Latinus Bd. 2, S. 1256f., Nr. 1933
- M.-Th. d'Alverny, Avicenna latinus X, in: Archives d'histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 37 (1970), S. 348-350
- K. Schib, Fünfundzwanzig Jahre Eisenbibliothek, Schaffhausen 1973, S. 12f.
- C. Moser, Eisengeschichtliche Literatur bis 1800, in: Ferrum 60 (Sept. 1988), S. 43f.
- Lohr, Aristotelica, S. 223f.
- vgl. die Einleitung, oben S. 42-50.
Codicological unit:
Teil 1
Extent:
1r-32v
Page layout:
Bis 8v keine sichtbare Liniierung, bis 24v Stift- und Blindliniierung, ab 25r Tintenliniierung. Schriftraum 17-17,5 x 12,5, zweispaltig (6), 35-55 Zeilen, ab 25r regelmässig 48 Zeilen.
Writing and hands:
Textualis von mehreren Händen, 2. Hälfte 13. Jh.
Decoration:
- Rubriziert, gelbe Strichelung, Rubriken teilweise (1ra, 2ra, 15ra u.a.) von der Hand, die auch die Rubriken 99ra und 100rb schrieb.
- 2zeilige rote und blaue Lombarden mit Fleuronné in der Gegenfarbe.
- Bei den Büchern 7-10zeilige ornamentale Initialen, Buchstaben in Blau, Altrosa oder Grau auf goldenem Grund oder 10-14zeilige, ab 25r 8-10zeilige historisierte Initialen mit roten, blauen, grünen, ocker- oder altrosafarbenen Buchstaben auf Goldgrund mit Ornamentstäben:
- 1ra Dedikationsbild,
- 1vb Aristoteles übergibt sein Buch dem Boten,
- 2ra Alexander der Grosse mit Kriegern und Ratgebern,
- 4va Aristoteles als Astrologe,
- 9rb Aristoteles als Pflanzenforscher,
- 13vb Aristoteles lehrend,
- 14vb Bahnen der Planeten,
- 15va Aristoteles auf dem Sterbebett im Kreis seiner Schüler,
- 22ra Aristoteles erforscht die Bewegung der Tiere,
- 25ra nackte männliche Figur,
- 29rb Rad der Fortuna,
- 30rb Aristoteles mit zwei sich kreuzenden Linien.
- 25r am äusseren Rand Federzeichnung eines tanzenden Mädchens (?), darunter: Quid est mulier. Hominis confusio, insanabilis bestia, continua solicitudo, indeficiens pugna, damnum cottidianum, domus tempestatis, solacii impedimentum. 31vb Kopf in Seitenansicht.
Additions: und Marginalien von verschiedenen Händen, 14.-15. Jh.
Contents:
-
1ra-14vb
Secretum secretorum Philippo Tripolitano interprete, lib. 1-4
>Incipit prologus Guidonis de Valencia super librum de secretis secretorum Aristotilis qui intitulatur de regimine principum ad regem Alexandrum Magnificum.<
- Prolog Domino suo excellentissimo […] Guidoni Vero de Valencia […]
- (1vb) Text >Prologus< [Rest getilgt durch Rasur]. O fili gloriosissime iustissime imperator confirmet te deus in via cognoscendi …–… ad meliorem et probabiliorem partem >Completus est tractatus de signis et moribus naturalibus hominum ad regem magnificum Alexandrum qui dominatus fuit toti orbi, dictus monarcha in septentrione. Explicit 4us liber de secretis Aristotilis<
- (2ra) lib. 1
- (4va) lib. 2
- (9rb) lib. 3
- (13vb) lib. 4
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 465 und 559
- Lacombe, Aristoteles Latinus Bd. 1, S. 195, Nr. I
- Roger Bacon, Opera hactenus inedita, Bd. 5, hrsg. v. R. Steele, Oxford 1920, S. 25-172
- F. Wurms, Studien zu den deutschen und den lateinischen Prosafassungen des pseudo-aristotelischen 'Secretum secretorum', Diss. Hamburg 1970, S. 46, Nr. 63
- Schmitt/Knox, Ps.-Aristoteles latinus S. 55 und 71
-
14vb-15va
De planetis
>Incipit 5us [liber de secretis Aristotilis] secundum quosdam, quod non credo<
Saturnus qui superior est omnibus planetis remanet in unoquoque signo …–…
15rb
terra vincit ignem
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 1384
- E. Zinner, Verzeichnis der astronomischen Handschriften, München 1925, Nr. 8384-8388
-
(15vb)
Merkvers zu den Tierkreiszeichen
Est libra, aries, scorpio …–…
virgo
- Walther, Carmina Nr. 5717a/5718
-
15va-17vb
Liber de pomo
>Incipit prologus super librum Aristotilis de pomo<
Cum clausa esset via veritatis sapientibus
- Text: >Incipit liber Aristotilis de pomo< Fuit in illo tempore quidam sapiens magnus et famosus et in omnibus sapientia intelligens et eius nomen Aristotiles …–… et perfecti sicut tu es
-
(17va-17vb)
Prolog:
>Incipit quidam prologus super librum Aristotilis de pomo et pones istum prologum ad tertium folium retro [15va] ubi incipit alter prologus […]
<
mit Verweiszeichen.
Cum homo creaturarum dignissima similitudo sit omnium ad imaginem dei factus …–…
in libri serie continetur
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 286, 302, 571
- Schmitt/Knox, Ps.-Aristoteles latinus S. 51f.
- Ps.-Aristoteles, Liber de pomo. Versio latina Manfredi, hrsg. v. M. Plezia, Warschau 1960.
-
17vb-18vb
Secretum secretorum
lib. 5
>Incipit liber 5us de secretis secretorum Aristotilis et vadis ad tale signum in 4o folio superius [
14vb
]
<
mit Verweiszeichen.
O Alexander iam scivisti illud quod antea tractavi (?) et exposui non semel …–…
quod atrahit sua spiritualitas
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 969
-
18vb-21vb
De coloribus
>Incipit liber de coloribus simplicibus<
Simplices colorum sunt quicumque elementis consequuntur ut igni et aeri …–…
potest videre
>Explicit liber de coloribus simplicibus Aristotilis<
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 1507
- Lacombe, Aristoteles Latinus Bd. 1, S. 189-191, Nr. 82
-
21vb-24vb
De motu animalium
>Incipit liber de motu animalium Aristotilis<
22ra
De motu autem eo qui animalium quecum[que] quidem circa unumquodque genus …–…
Reliquum autem de generatione dicere
>Ego frater Guifredus scripsi hoc opus. Scriptorem libri conservet gratia Christi. Auxilio cuius destera scripsit opus<
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 381
- Lacombe, Aristoteles Latinus Bd. 1, S. 177f., Nr. 68
-
25ra-29ra
Physiognomia
>Incipit phisionomia Aristotilis<
Quoniam et anime sequentur corpora et ipse secundum seipsas non sunt inpassibiles …–…
superapparentia fit
>Explicit phisionomia Aristotilis [wiederholt].<
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 1274
- Lacombe, Aristoteles Latinus Bd. 1, S. 183f., Nr. 74
- Scriptores physiognomici graeci et latini, hrsg. v. R. Förster, Bd. 1, Leipzig 1893, S. 5-91.
-
29rb-30rb
De bona fortuna
>Incipit liber de bona fortuna Aristotilis<
Habitum autem utique erit hiis dicere quoniam de felicitate est sermo […] Determinandum igitur de bona fortuna …–…
quam vocamus kalokagachiam etc
>Explicit capitulum secundum de bona fortuna Aristotilis<
- (29va) lib. 2.
- Lacombe, Aristoteles Latinus Bd. 1, S. 160f., Nr. 50.
-
30rb-31vb
De lineis indivisibilibus
>Incipit liber de lineis indivisibilibus Aristotilis<
Uutrum [sic] sunt indivisibiles linee et totaliter in omnibus quantis est aliquid inpartibile …–…
punctam autem habet
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 1671
- Lacombe, Aristoteles Latinus Bd. 1, S. 187f., Nr. 78
Codicological unit:
Teil 2
Extent:
33r-80v
Page layout:
Stiftliniierung, Schriftraum 17,5 x 12,5, zweispaltig (5,5-6), 44 Zeilen.
Writing and hands:
Textualis, 2. Hälfte 13. Jh.
Decoration:
- Rubriziert, rote und blaue Paragraphenzeichen, gelbe und braune Strichelung.
- 2zeilige rote und blaue Lombarden mit Fleuronné in der Gegenfarbe.
- Kapitelüberschriften rot, häufig in Dreiecksform am rechten Rand der Spalte über mehrere Zeilen.
- 33ra und 62ra 4zeilige ornamentale Initialen auf Goldgrund mit Ornamentstäben aus Fabeltieren, 33ra mit einer karikierten menschlichen Gestalt, die lehrt; Farben: Rot, Blau, Grün, Ocker, Altrosa.
Additions: Vereinzelte Korrekturen des Schreibers, ab 62ra Marginalien vom Schreiber mitkopiert. 33r-61vb Marginalien und Notae, 15. Jh., vereinzelt 16. Jh. Handweiser. 33r oben Alberti Magni, 16. Jh.; unten Hic liber est Alberti Magni, 15.-16. Jh.
Contents:
-
33ra-61vb
De mineralibus
>Incipit primus liber mineralium qui est de lapidibus […]
<
De commixtione et coagulatione, similiter autem et congelatione et liquefactione …–…
de facili poterunt cognosci
>Explicit liber mineralium quintus<
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 368
- Fauser, Werke, Nr. 17.68
- Albertus Magnus, Opera, Bd. 5, hrsg. v. A. Borgnet, Paris 1890, S. 1-102.
-
62ra-79va
De natura loci
>Incipit liber de natura loci ex latitudine et longitudine eiusdem proveniente […]
<
De natura locorum que provenit ex habitudine loci ad celum tractaturi
78va
, Z. 30 in genere dicte sunt. A meridie Ioinum [sic]. Ab Africo et occasu …–…
ab oriente Numidiam
>Explicit iste liber set [statt: sit] scriptor crimine liber<
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 381
- Fauser, Werke, Nr. 13.31
- Albertus Magnus, Opera, Bd. 5,2, hrsg. v. P. Hossfeld, Münster i. W. 1980, S. 1-44, ab 78ra Z. 43 (S. 41, Z. 24) mit versetztem Textstück: S. 43, Z. 41 - S. 44, Z. 57 vor S. 41, Z. 24 - S. 43, Z. 41, dazu S. 41 Anm. 24 und S. 44 Anm. 57; zur Hs. S. XI, Varianten der Hs. unter der Sigle B und ß.
-
80va-80vb
De anima
- Prolog Reverentissimo Toletane sedis arciepiscopo et Ispanarum primati Iohanni Avetanth Israelita philosophus […] Cum omnes constent ex anima et corpore nec omnes sic certi sunt […]
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 1358 und 820
- Avicenna Latinus, Liber de anima seu sextus de naturalibus, hrsg. v. S. van Riet, Bd. 1, Louvain 1972, S. 3-6.
Codicological unit:
Teil 3
Extent:
81r-100v
Page layout:
Stiftliniierung, Schriftraum 17,5 x 12-12,5, zweispaltig (5,5-6), 49 Zeilen.
Writing and hands:
Textualis, 2. Hälfte 13. Jh.
Decoration:
Additions: Vereinzelte Korrekturen auf Rasur und auf den äusseren Rändern, dort auch Notae. 4-11zeilige Kommentare 81v-91v auf den unteren Rändern.
Contents:
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81ra-93va
Commentum in Johannis de Sacrobosco de sphaera
Ut testatur Plato in Timaeo mundus iste sensibilis factus est ad similitudinem mundi [auf Rasur:] arcithepi …–…
demum martirizatus
>Expliciunt glose super speram. Amen<
Zusatz: Probatur ab auctoribus astronomie quod X sunt corpora magna et maxima in celo (?) omnia corpora que in universo continentur unde versus: sol. stel. fix […] - […] sunt corpora magna.
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 1613
- L. Thorndike, The sphere of Sacrobosco and its commentators, Chicago 1949, S. 248-342, entspricht dem Text C.
- (93vb) leer.
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94ra-99ra
Rationes super arithmeticam Boethii
Testante Nichomaco in secundo prohemio aritmetice: Sapientia est eorum que sunt summique immutabilem substantiam …–…
maxima et perfectissima appellatur. Et hec de ista scientia dicta sufficiant
>Expliciunt rationes super arismeticam [sic]<
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 1567
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99ra-100rb
Commentarius in Aristotelis de longitudine et brevitate vitae
>Incipit commentum Phtolomei super librum Aristotilis de longitudine et brevitate vite<
Et in hoc tractatu perscrutatur de causis longitudinis et brevitatis vite. Dicamus ergo quod concessum est hic circa causas naturales in hiis duobus accidentibus …–…
secundum posse nostrum et intellectum
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 518
- Averroes Cordubensis, Compendia librorum Aristotelis qui Parva naturalia vocantur, hrsg. v. A. L. Shields, Cambridge Mass. 1949, S. 129-149.
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100rb-100vb
De inundatione Nili
>Incipit liber Aristotilis de inundatione Nili<
Propter quid aliis fluminibus in hieme [quidem] augmentatis, in estate …–…
Erodochus fabularum scriptor
- Thorndike/Kibre, Catalogue Sp. 1144
- Schmitt/Knox, Ps.-Aristoteles latinus S. 44f.