St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1092
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Scherrer Gustav, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875, S. 403-405.

Titre du manuscrit: Bauriss des Klosters St. Gallen.
Période: saec. IX ineunt.
Support: Pergamentblatt
Volume: aus fünf Stücken zusammengenäht und auf Leinwand gezogen
Format: 114 C. hoch, 74 1/2 breit
Mise en page: Die Linien sind roth, die Inschriften mit brauner Dinte und scharfer Feder geschrieben. Daher der schon bei Canisius erwähnte Irrthum im Katalog vom J. 1461 Cod. 1399: 'Pellis magna continens vitam S. Martini scriptam structuramque domorum ejus depictam.'
Sommaire:
  • Die Planzeichnung ist aber laut der Inschrift des Hochaltars 'Altare S. Mariae et S. Galli' (Note: Die bei Canisius hinzugefügten Worte 'in quo est sarcophagus S. Galli.' fehlen im Plan, der statt dessen die abgesondert stehende Inschrift hat: 'sarcophagum s. corporis.') Die für das Kloster S. Gallen bestimmt, wofür auch die Widmung und der durch die Stiftschroniken bezeugte gleichzeitige Klosterbau sprechen.
  • Die Inschriften, Disticha oder Hexameter in Minuskel oder Uncial des IX. Jh., sind aus dem Plan abgedruckt bei Canisius Lect. V, 2 p. 780 und daraus in Bibl. PP. max. XXVII p. 522; der Plan selbst wurde zuerst in verkleinertem Kupferdruck bekannt gemacht von Mabillon in Annal. Bened. II, 570; dann lithographirt, 91 und 68 C. oder in Vierfünftel der Grösse des Originals, herausgegeben von F. Keller Zürich 1844 mit 41 Quartseiten erklärenden Texts.
  • Der Kirchenbau (ao 830 und ff.) und die Consecration (ao 835) unter Abt Gozbert samt den später durch Hartmut hinzugekommenen übrigen Gebäuden sind an folgenden Stellen in den st. gall. Hss. erwähnt: Annales brevissimi 250 p. 14; 459 p. 16; Annal. maj. 915 p. 203; Epistola Ermenrici 265 p. 65-66; Vita S. Othmari 562 p. 111-112; Casus Ratperti 614 p. 103, 104, 116, 121; Martyrologium Notkeri 456 p. 384.
  • Als Baumeister wird in der Epist. Ermenrici der St. Galler Mönch Winehard genannt (auch in Versen bei Goldast Ann. maj. ao 829 und in den Grabschriften 613 p. 77); als Bildhauer Ratger und als Holzschneider Isenric (Epitaphium 613, 77); beide ebenfalls St. Galler Mönche. Der Urheber des Bauplans ist unbekannt; da in demselben der st. gallische Cultus nur wenig und die Natur des Orts beinahe gar nicht hervortritt, so gehört er schwerlich einem 'familiaris monasterio ' an (Haller III No. 1338); Mabillon rieth auf Einhart, Biographen Karl's d. Gr.; Keller auf einen Italiener, der von der Lebensweise des Südens ausging. Aus der Anrede an Gozbert als 'Sohn' schloss Metzler (Chronik Cod. 1408 p. 152) er dürfte Bischof gewesen sein; dann wäre es jedenfalls der von Konstanz nicht, denn der war damals Wolfleoz, selbst St. Gallischer Conventual, also hinreichend vertraut mit der Oertlichkeit. Wahrscheinlich wird aber Gozbert deshalb filius genannt, weil nicht der Abt, sondern sein gleichnamiger Neffe gemeint ist.
  • Die Zeichnung ist nicht eigentlich als Plan für den Bauführer, sondern als Projekt anzusehen und wurde in der Ausführung nur theilweise festgehalten. Nach dem Entwurf würde es ein Ganzes von vier Gruppen mit der Kirche als Mittelpunkt geworden sein. Der Gebäudekomplex hatte neben dem Mönchsleben im engern Sinn noch einer weitläufigen Oekonomie und den Erfordernissen der Schule sowie eines frequenten Rast - und Wallfahrtsorts zu dienen und macht eine Ortschaft von 40 Firsten aus, die aber mehrentheils, mit Ausnahme der Bibliothek, der Aula etc. nur ein einziges Stockwerk haben. (Vgl. Keller und Rahn, welcher letztere noch als Besonderheit bemerkt, dass viele Gebäudetheile vertikal gezeichnet sind.)
  • Da der Bau der Hauptkirche im J. 830 begann, so muss die Tafel etwas früher angefertigt sein, um 820 nach Keller. Abgesehn von der schon im XI. oder XII. Jh. ausgekratzten und überschriebenen untern Ecke ist die Zeichnung bis an wenige Stellen und Inschriften gut conservirt, wiewol dieses Unicum (da es keine anderen Baupläne aus der Karolingerperiode gibt) in neuerer Zeit häufig genug aufgerollt wurde. Eine Kopie nebst Erläuterung von I. v. Arx enthält Cod. 1082 p. 202.
  • in der untern ausradirten Ecke links auf 22 Zeilen der Schluss einer Legende von den Wundern des h. Martin, welche auf der jetzt mit Leinwand bedeckten Rückseite von jüngerer Hand niedergeschrieben ist.
Origine du manuscrit: Mit einer (theilweise abgeriebenen) Zueignung ohne Namen des Schreibers an 'fili Cozberte' in 7 Zeilen auf dem obern Rand
Weitere Literatur:
  • Arx Gesch. I, 6 1 - 62 und Zusätze 12 - 1 4;
  • Zürch. Antiq. Mitth. XII, 209;
  • Anzeiger f. schweiz. Gesch. 1857 Dez. p. 59;
  • St. Gall. Mitth. XII p. 128; XIII p. 28;
  • St. Gall. Neujahrsbl. ao 1863;
  • die kunsthistorischen Werke von Otte, Schnaase und Krieg v. Hochfelden;
  • und neuestens Rahn I p. 83 - 98 mit Plan und Aufriss.