Solothurn, Zentralbibliothek, Cod. S II 72
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Schönherr Alfons, Die mittelalterlichen Handschriften der Zentralbibliothek Solothurn, Solothurn 1964, S. 199-201.

Titre du manuscrit: [Petrus Lombardus: Sententiarum Libri I-IV]
Période: 12. Jahrh. (um 1180-1190).
Support: Pergament
Volume: 179 Bl.² (+ IV Bl. Pap.)
Format: 34/24 cm
Numérotation des pages: Die Hs. wurde bei der Katalogisierung durchfoliiert.
Composition des cahiers: Gleichzeitige Lagenzählung (Quaternien) durch römische Versozahlen: (16v) II – (168v) XXI. Reklamanten, zumeist abgeschnitten.
Etat: Letztes Bl. der Schlußlage (Sexternio) verloren, leer.
Mise en page: Kolumnen für Text und notulae sowie 37 mit Zirkel abgesteckte Zeilen teils mit Griffel, teils mit Tinte ausgezogen.
Type d'écritures et copistes: Sorgfältige frühgotische Minuskel von zwei Haupthänden; vgl. die Schriftprobe von Hand 2 in Librarium, Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft 5 (1962) Tafelabb. zu S. 16 (vergrößert). Paläographische und stilkritische Merkmale weisen auf ein Zisterzienserskriptorium im Raume Straßburg.
Décoration:
  • Rote Überschriften; Auctoritates und notulae in getrennter schmaler Kolumne (kollateral) ebenfalls rot; Marginalien schwarz. Zahlreiche Ergänzungen und kleine Textemendationen aus dem 13. Jahrh. Rote oder blaue Anfangsbuchstaben, die in der Gegenfarbe kalligraphisch dekoriert sind.
  • Laufende Bezeichnung der 4 Bücher in der oberen rechten Blattecke durch arabische Zahlzeichen.
  • Zum Eingang sowie zum Textbeginn der 4 Bücher Hauptinitialen mit fein schraffierten Federzeichnungen (Zeichnungsminiaturen) oder kalligraphischem Dekor auf Pergamentgrund:
    • (1r) Initiale C mit Autorenbildnis (Petrus Lombardus am Schreibpult) in sehr typischer Federzeichnung für das spätere 12. Jahrh.; die ganze Figur wird von der Rundung der Initiale umschlossen; P. Lombardus trägt ein bis zu den auf einem Schemel ruhenden Füßen reichendes rotkonturiertes Gewand, darüber einen olivgrünen Mantel; auf dem Haupte trägt er eine mützenförmige Mitra; die Linke ruht im Schoße während die Rechte auf das aufgeschlagene Buch zeigt;
    • (3r) Initiale V in Sepia, Schaft gespalten, in der Wölbung Drachenflügel mit Tierfuß; in der Buchstabenfüllung und am Auslauf der Wölbung Reblaub mit Spiralranken, die sich durch den Spalt schlingen und den Schaft umklammern;
    • (53v) Initiale C in Sepia; in der Füllung des Buchstabens Adler;
    • (97v) Initiale C in Sepia, Wölbung gespalten mit Spange, der Schaft aus gekerbten Laubranken gebildet; in der Buchstabenfüllung Darstellung der Verkündigung Mariens: Engel mit Schriftrolle links, Maria als Orante rechts; vgl. Jahresbericht 28/1957 (1958) 26-27 und die vergrößerte Reproduktion dieser Bildnisinitiale ebd. Tafelabb. Ir und Librarium 5 (1962) Tafelabb. zu S. 16;
    • (131r) Initiale S in einem rechteckigen Initialfeld mit Knollenranken; sepiabraune, gelb übertönte Federzeichnung eines Flügeldrachens mit Vogelfüßen.
Ajouts: Gelegentliche Federproben des Rubrikators, (z. B. 81r, unten) zwei Proben zur I-Initiale.
Reliure: Gebleichtes Schweinsleder über Buchenholz, Kanten abgeschrägt (restauriert 1955). Beide Deckelflächen durch Streicheisenlinien in Rahmen und Diagonalen aufgeteilt; sechslinige Rahmenleisten um das hochrechteckige Mittelfeld. In den leeren Rahmenfeldern Schriftkartusche mit Namenstempel (uoldaricus) in gotischer Minuskel, mit Blütenzweigen. Dieser Schriftstempel und die drei ornamentalen Blindstempel (fünfblättrige Rosette an den Linienschnittpunkten, kleine Fächerpalmette und Artischocke) gehören dem reichhaltigen, auffallend gepflegten Stempelrepertorium eines seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhs. mehrfach in Erscheinung tretenden Meisters an (vgl. Archiv GBw 3, 194 Nr. 114), der auf Grund eingehender, an zahlreichen uoldaricus-Einbänden gesammelter Beobachtungen höchstwahrscheinlich mit Ulrich Strub aus Liestal (1469 immatrikuliert zu Basel, seit 1470 Chorherr und später auch Kustos des Kollegiatstiftes Schönenwerd) zu identifizieren ist; vgl. Wackernagel, Matrikel 1, 76 Nr. 46. Rücken vierbündig; rot-grün (spitzwinklig) umstochenes Kapital. Auf den Deckeln zehn Bronzeknöpfe mit Stützbuckeln, z.T. erneuert. Zwei vom Hinterdeckel nach vorn übergreifende Langriemenschließen (erneuert), die Metallansätze mit zehnzackigem Stern. Gleichzeitige Rückensignatur in Tinte aus Stift Schönenwerd (N. 68), bei der Einbandrestaurierung versehentlich getilgt. Schnitt kadmiumgelb eingefärbt.
Sommaire:
Mit Prologen, Notulae und Marginalglossen. Vgl. die kritische Ausgabe (Quaracchi, ²1916). ML 192, 521-962. - Vorliegende Hs. wurde von A.M. Landgraf (ep . Eudociensis, † 1958) auf die Textüberlieferung und insbesondere hinsichtlich der notulae zwecks näherer Einreihung in die scholastische Gesamtüberlieferung untersucht.
  • 1. Bl. 3r-53r [Incipit lib.I, dist. I] Veteris ac nove legis continentiam …–… quem Deus non voluit (= dist. 48) . Mit Rubrik >Hic finitur primus liber de misterio Trinitatis.<
    Vorangestellt:
    • a). (1r-v) [Prologus] Cupientes aliquid de (cod. / te) penuria ae tenuitate nostra;
    • b). (1v-3r) [Index capitulorum]
  • 2. 53v-97v [Lib.II, dist. I] Creationem rerum insinuans scriptura …–… nulli potestati obediamus (= dist. 44). >Explicit liber secundus.<
    Vorangestellt:
    • (53v) [Prologus] Que ad misterium divine unitatis.
  • 3. 97v-129v >Incipit liber tercius de inearnatione verbi< [dist. I]. Cum venit igitur plenitudo temporis …–… ut vitiorumfere oecidantur (= dist. a.o).
    Vorangestellt:
    • (97v) [Prologus] Iam nunc his intelligendis …–… Deo revelante valeamus ; mit Rubrik: >Huius voluminis continencia sub compendio perstringitur.< Dann weiter: Sic (gleichzeitig korrigiert aus Hic) enim rationis ordo postulat ad miserum accedat.
  • 4. 131r-179v >Incipit liber quartus< [dist. I]. Samaritanus enim vulnerato appropians …–… Letabitur enim iustus cum viderit vindictam (= dist. 50). Daran Epilog: Hec de pedibus via duce, pervenit ; mit Schlußdoxologie: Gloria Patri et Filio et Spiritui sancto.
    Vorangestellt:
    • a). (129v) [Prologus] His tractatis signorum accedamus;
    • b). (130r-131r) [Capitula libri quarti] - RC I, I n. I (ohne Schweizer Hss.).
    • Zu den notulae (kollateral zum Text in 3. Kolumne) vgl. die kritische Ausgabe.
      - Von den Randglossen seien zur Charakterisierung der Hs. folgende Beispiele angeführt:
      • a) zu Lib. I
        • (24v) Augustinus ad Maximinum unus solus Deus est (Ausgabe Quaracchi 1916, 142 nota f);
        • (51r) Gregorius super Genesim Magna opera Domini (a.a.O. 281, g);
      • b) zu Lib. IV
        • (132v) Augustinus in Enchiridion: Non reqenerabantur parabantur = Enchiridion cap. 49: ML 40, 255 (a.a.O. 753);
        • (137r) Contrarium. In ecclesiastica historia lepitur mos (cod. mox) est, vgl. Rufinus Aquilejensis, Historia ecclesiastica I, 14: ML 21, 487 (a.a.O. 781/782);
        • (166v) Nicholaus papa: Si quis statuimus = Decretum Gratiani c.16, C.XXXIII, qu.2 (a.a.O. 956); (ebd.) Item ex Triburiensi concilio: Si quis observandum est = Decret. Gratiani c. 24, C.XXXII, qu. 7 (a.a.O. 957);
        • (167v) Calixtus papa: Ptesbiteris fuerit approbata (a.a.O. 966, a).
Provenance du manuscrit:
    Besitzeinträge:
  • 1. (1r, oben) vollständig getilgt;
  • 2. (am Unterrand von 8) herausgeschnitten;
  • 3. (1r, aus der Zeit um 1500) Ecclesiae Collegiatae Werdensis.